Innen/ Aufarbeitung Kolonialgeschichte

Jan Marcus Rossa zu TOP 18 „Konzept zur Aufarbeitung der kolonialen Geschichte des Landes“

Jan Marcus Rossa

In seiner Rede zu TOP 18 (Konzept zur Aufarbeitung der kolonialen Geschichte des Landes) erklärt der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jan Marcus Rossa:

„Nach der großen Anfrage des SSW und der Debatte im Sommer letzten Jahres zur Kolonialgeschichte Schleswig-Holsteins ist der heutige Antrag naheliegend gewesen und ein Konzept zur Aufarbeitung unserer Kolonialgeschichte wurde von den meisten Fraktionen in diesem Hause für richtig empfunden und eingefordert. Geschichtsaufarbeitung hat gerade in Deutschland eine besondere Bedeutung und es hat sich in unserem Land auch eine besondere Aufarbeitungskultur entwickelt.

Wie schwer taten sich die Deutschen nach dem Ende des NS-Schreckensregimes mit der Auseinandersetzung und der Bewältigung ihrer Vergangenheit. Erst in den 60er Jahren wurde eine ehrliche und auch schonungslose Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit von der Generation der Nachgeborenen eingefordert und gegen erheblichen Widerstand durchgesetzt. Das war für viele Menschen schmerzhaft, aber auch unbedingt notwendig, damit Deutschland wirklich ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat werden konnte. Hier erwies sich Geschichte nicht nur als guter Lehrer, sondern die Deutschen auch als durchaus gute Schüler.

Ich erinnere mich noch daran, wie entsetzt ich als Schüler war, als im Januar 1981 der sogenannte ‚Nachfolger Hitlers‘ Karl Dönitz in Aumühle, ein Nachbarort meiner Heimatstadt Schwarzenbek, beerdigt wurde. Ich war fassungslos über den Menschenauflauf, den diese Beerdigung nach sich zog. 5000 Trauergäste sollen teilgenommen haben. Etwa 100 sollen ihr Ritterkreuz getragen haben. Die Trauergäste sollen die erste Strophe des Deutschlandliedes gesungen haben und es sollen Bundeswehrsoldaten in Uniform trotz eines entsprechenden Verbots teilgenommen haben. Es war für mich und meine Mitschüler zum Fürchten, denn dieses Begräbnis gestattete einen unverstellten Blick in die grässliche Fratze unserer braunen Vergangenheit und machte klar, wie unverbesserlich und unbelehrbar viele Täter auch mehr als 30 Jahre nach dem Ende des Krieges waren. Das war ein eindeutiger Beleg dafür, wie wichtig es ist, offensiv mit der eigenen Vergangenheit, mit der Geschichte des eigenen Volkes umzugehen und Geschehnisse der Vergangenheit einzuordnen.

Und es gilt, immer wieder dieselbe Frage zu stellen: Wie war es möglich? Dabei geht es nicht in erster Linie um eine nachträglich festzustellende Schuldfrage, sondern um die Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen, um einen möglichen Perspektivwechsel. Sinnvoll und erkenntnisreich ist eine solche Aufarbeitung nur, wenn dabei das Handeln der historischen Gestalten in den richtigen historischen Kontext gestellt wird. Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie die Vernichtung der Hereros, können nicht gerechtfertigt werden. Sie waren damals Unrecht und sind es bis heute. Aber wenn wir unsere Kolonialgeschichte betrachten und bewerten wollen, müssen wir immer auch die damaligen Lebensverhältnisse, die gesellschaftlichen und politischen Umstände berücksichtigen und in unsere Bewertung einbeziehen. Ich möchte mit einem Zitat unseres ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker schließen: ‚Wir lernen aus der Geschichte nicht, was wir tun sollen. Aber wir können aus ihr lernen, was wir bedenken müssen. Das ist unendlich wichtig.‘ Und diesem Ziel soll auch die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte dienen.“

Es gilt das gesprochene Wort!