In seiner Rede zu TOP 4 (Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein) erklärt der wohnungsbaupolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jan Marcus Rossa:
„Wir befassen uns heute nicht zum ersten Mal mit der Frage, ob das Recht auf Wohnen in die Landesverfassung aufgenommen werden soll. Wir haben uns im Innen- und Rechtsausschuss mit dem Anliegen der Volksinitiative für bezahlbares Wohnen intensiv auseinandergesetzt und ich will meine Erwägungen darstellen, warum wir die Volksinitiative nicht unterstützen.
Das Kernanliegen der Volksinitiative, angemessenen Wohnraum für alle Menschen in diesem Land zu gewährleisten, ist unter allen Gesichtspunkten nachvollziehbar und auch unterstützenswert. Die Politik muss dafür sorgen, dass für jeden Menschen in diesem Land ausreichender und angemessener Wohnraum zur Verfügung steht. Da das Wohnen ohne jeden Zweifel zu den Grundbedürfnissen eines Menschen gehört, ist es auch richtig, dass Mieter besonderen Schutz genießen müssen. Die Frage ist und bleibt aber, ob eine Verfassung das richtige Instrumentarium ist, um dieses berechtigte Anliegen zu befördern. Und genau hier haben wir eine andere Auffassung als die Volksinitiative.
Ich denke, dass wir uns noch darin einig sind, dass das Recht auf eine ‚angemessene Wohnung‘, wie es von der Volksinitiative gefordert wird, kein subjektives, einklagbares Recht in unserer Verfassung sein kann, sondern allenfalls eine Staatszielbestimmung. Hier fragt es sich dann aber, ob eine Notwendigkeit besteht, ein solches Staatsziel zu bestimmen und ich meine, dass das beim Thema Wohnen nicht der Fall ist, weil sich das Recht auf Wohnen bereits aus den geltenden allgemeinen, auch verfassungsrechtlich geregelten Schutzpflichten des Staates ergibt. Auch ohne eine ausdrückliche Regelung, wie sie von der Volksinitiative gefordert wird, ist der Staat verpflichtet, das Wohnen für jeden Menschen in diesem Land zu gewähr-leisten. Das ergibt sich unmittelbar aus der Verfassung, nämlich aus der Menschenwürdegarantie in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, wie es im Grundgesetz niedergelegt ist. Daraus ergibt sich, dass der Staat verpflichtet ist, die Grundvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu sichern und hierzu gehört ohne Frage auch das Wohnen. Ich bin daher der Auffassung, dass die Volksinitiative etwas regeln will, das in Deutsch-land und auch in Schleswig-Holstein bereits geregelt ist und auch verfassungsrechtlich abgesichert ist.
Es stellt sich dann die Frage, ob es ein besonderes Bedürfnis dafür gibt, einen Aspekt, der bereits eine Regelung erfahren hat, noch einmal, ggf. auch im Wortlaut, präziser zu regeln und dieses Bedürfnis vermag ich nicht zu er-kennen. Einen konkreten Beitrag zur Lösung der Probleme auf dem Wohnungsmarkt in Schleswig-Holstein würde eine Verfassungsänderung nicht bringen. Ich denke auch nicht, dass die Menschen in unserem Land von uns weitere Bekenntnisse erwarten. Wir sind uns doch alle einig, dass wir Wohnraum brauchen, dann sollten wir auch nicht so tun, als sei hier etwas strittig. Es braucht konkrete Maßnahmen und keine Programmsätze, auch keine verfassungsrechtlichen.
Die heutige Debatte zur Landesbauordnung ist ein gutes Beispiel, wo gesetzliche Regelungen helfen können, die Voraussetzungen für den Wohnungsbau zu verbessern. Wir werden auch weiterhin den sozialen Wohnungsbau in unserem Land fördern und begrüßen Initiativen von Städten und Gemeinden, wenn sie Neubauvorhaben davon abhängig machen, dass ein nicht zu geringer Anteil der neu zu schaffenden Wohnungen einer Sozialbindung unterworfen sind. Eine Verfassungsänderung bliebe dagegen wirkungslos und würde keinen einzigen zusätzlichen Quadratmeter Wohn-raum schaffen. Deshalb haben wir uns entschieden, den Gesetzentwurf der Volksinitiative abzulehnen.“