Jan Marcus Rossa zu TOP 51 "Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode"

Jan Marcus Rossa

In seiner Rede zu TOP 51 (Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode) erklärt der Obmann der FDP-Landtagsfraktion, Jan Marcus Rossa:

„Vier Jahre hat der Untersuchungsausschuss zur sogenannten 'Rocker-Affäre' nun gedauert und heute liegt ein mehr als tausendseitiger Bericht vor, in dem die Untersuchungsergebnisse und deren Bewertungen dokumentiert sind. In den vergangenen Monaten ist immer Mal wieder durchaus berechtigt die Frage aufgeworfen worden, ob der Aufwand wirklich lohnt und ich glaube, wir haben es uns viel schwerer gemacht, als es notwendig gewesen wäre.

Aber vergessen wir eines nicht: Zu Beginn unserer Untersuchungen stellten sich viele Sachverhalte noch ganz anders dar. Erst aufgrund langwieriger Befragungen kamen Tatsachen ans Licht, die sich nicht mit dem Anfangsverdacht deckten, der Auslöser des Untersuchungsausschusses gewesen ist. Viele Fragen, die sich die Abgeordneten bei der Einsetzung des Ausschusses gestellt hatten, erwiesen sich dann nicht mehr als zielführend, weil wir neue Erkenntnisse gewonnen hatten, die den Fall in einem anderen Licht erschienen ließen.

Vermeintliche Opfer erwiesen sich durchaus als Mittäter. Und vermeintliche Täter wurden im Zuge der Beweisaufnahme entlastet. Allein dies spricht für die Qualität der Arbeit des Untersuchungsausschusses und belegt, dass wir jedenfalls stets bemüht waren, die wirklichen Geschehnisse aufzudecken und nicht nur nach Bestätigung vorgefasster Meinungen zu suchen.  Und insoweit teile ich die Einschätzung des SPD-Kollegen Kai Dolgner: Es gab  keine Hinweise für illegale Überwachungsmaßnahmen, konspirative Netzwerke von Polizeiführern oder die vorsätzliche Vernichtung von Beweismitteln durch die Landespolizei. Und das ist ein gutes Ergebnis für unsere Polizei.

Ich will mich hier und heute auf einige wenige Aspekte beschränken, die für mich sehr wichtig gewesen sind, und wo durch die Ausschussarbeit wichtige Erkenntnisse gewonnen werden konnten:

1. Der Untersuchungsausschuss hat sich meiner Überzeugung nach allein deshalb gelohnt, weil er uns noch einmal eindrücklich vor Augen geführt hat, wie sensibel der Einsatz von verdeckten Quellen, insbesondere von V-Leuten, für einen Rechtsstaat ist. Was war geschehen? Über eine vertrauliche Quelle erfuhr das LKA, dass ein Verdächtiger, der damals in U-Haft saß, angeblich nicht am Tatort gewesen wäre und ein anderer Verdächtiger im Subway nicht zugestochen habe. Der zuständige VP-Führer informierte daraufhin den zuständigen Staatsanwalt über diese Hinweise, um zu klären, wie mit diesen umzugehen sei. Der Staatsanwalt entschied, von einer Verschriftlichung abzusehen und die Hinweise nicht zur Ermittlungsakte zu nehmen. Damit wurden den Verdächtigten und ihren Strafverteidigern entlastende Beweismittel vorenthalten und auch das Strafgericht hätte von diesen Hinweisen keine Kenntnis erlangt.

Der Umgang mit vertraulichen Quellen und verdeckten Hinweisen schreit ja nicht erst seit heute nach einer klaren gesetzlichen Regelung, um einen solchen Umgang mit verdeckten Hinweisen zu verhindern. Ohne solche Regelungen sind meines Erachtens rechtsstaatliche Verfahren nicht sichergestellt. Eine im Ergebnis unbemerkte Unterdrückung von entlastenden Beweismitteln muss ausgeschlossen werden. Wir brauchen daher ein Verfahren, mit dem der Zielkonflikt zwischen Einbringung aller relevanten Beweismittel einerseits und dem Schutz verdeckter Quellen andererseits so Rechnung getragen wird, dass für den Beschuldigten stets ein faires Verfahren gewährleistet ist. Diese Erkenntnis haben wir ja nicht erst seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dem Strafverfahren gegen den Terrorbeteiligten El Motassadeq, aber seither ist klar, dass, bei aller Geheimhaltungsbedürftigkeit im Einzelfall, die Tatsache, dass entlastende Hinweise vorliegen, nicht verschwiegen werden darf. Diese Gefahr aber drohte hier. Für das Schleswig-Holsteinische Polizeirecht haben wir schon vor Abschluss des Untersuchungsausschusses die Lehren gezogen und den Einsatz verdeckter Quellen umfassend geregelt. Für das Strafprozessrecht steht dies noch aus und ist im Bundesrecht zu regeln.

2. Eine weitere Erkenntnis des Untersuchungsausschusses ist aber auch gewesen, dass offenbar nicht für alle Beteiligten die Kompetenzverteilung zwischen Landespolizei und Staatsanwaltschaft in einem Ermittlungsverfahren klar war und auch im Ausschuss bestehen hier nach wie vor unterschiedliche Auffassungen, die zu zwei unterschiedlichen Voten im Bericht geführt haben. Der Irrtum von zwei Ermittlungsbeamten über diese Zuständigkeitsverteilung löste den Konflikt im Landeskriminalamt aus. Die Rechtslage ist ja durchaus schwierig und komplex und auch im Ausschuss kamen wir nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis, sondern haben zwei Meinungen nebeneinanderstellen müssen. Schaut man in die Strafprozessordnung, wird klar, dass es bei der Zuständigkeitsverteilung maßgeblich darauf ankommt, ob die Staatsanwaltschaft die Polizeibehörde mit Ermittlungsmaßnahmen ersucht oder einzelne Ermittlungsbeamte beauftragt. Wird die Polizeibehörde ersucht, handelt sie quasi aus eigenem Recht, denn § 163 Abs. 1 StPO ermächtigt und verpflichtet die Polizei unmittelbar, Ermittlungsmaßnahmen aufzunehmen, wenn ein entsprechender Anfangsverdacht besteht. Das gehört zu den originären Aufgaben der Polizei, ohne dass die Staatsanwaltschaft tätig wird.

Eine Beauftragung einzelner Ermittlungsbeamter durch die Staatsanwaltshaft konnte, bis zum Schluss nicht festgestellt werden. Das Landeskriminalamt ist also aufgrund der eigenen Ermittlungspflichten gem. § 163 Abs. 1 StPO tätig geworden  und wurde allenfalls durch den zuständigen Staatsanwalt ersucht. Das ist die übliche Praxis. Die Beauftragung einzelner Ermittlungsbeamten durch den ermittelnden Staatsanwalt ist dagegen die Ausnahme und hat auch hier nicht stattgefunden. Dieser kleine Unterschied, auf welcher Grundlage Polizeibeamte ihre Ermittlungen vornehmen, hatte in der SoKo Rocker dann allerdings große Wirkung: Zwei Ermittlungsbeamte stellten sich in Verkennung der Rechtslage auf den Standpunkt, Weisungen ihrer polizeilichen Dienstvorgesetzten nicht befolgen zu müssen. Im Beamtenrecht ein nicht hinnehmbares Verhalten. Weisungswidrig wurde von diesen beiden Beamten außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches ein vertraulicher Hinweis verschriftlicht und zur Ermittlungsakte gegeben, ohne dass von diesen beurteilt werden konnte, ob durch die Verschriftlichung Leib und Leben der Quelle gefährdet werden würde. Ein unglaublicher Vorgang, wenn man bedenkt, welche Gefahren durch die Offenlegung einer Quelle im Bereich der Organisierten Kriminalität ausgelöst werden können. Und ich will an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung rufen, dass es 2009 und 2010 erhebliche Gefahren, Gewalt und Bedrohungen im Bereich der Rocker-Szene, nicht nur in Schleswig-Holstein, gab. Das Verhalten der Beamten war verantwortungslos und war Auslöser für die Konflikte im LKA. Der weitere Umgang mit dieser Auseinandersetzung hätte auf Seiten der Führungsebene sicherlich besser und professioneller abgewickelt werden können. Hier verweise ich aus Zeitgründen aber auf den Ausschussbericht.

3. Ein weiterer Aspekt betrifft die Verantwortung unserer Medien mit Blick auf eine wahrheitsgemäße Berichterstattung. Fake News gefährden unseren Rechtsstaat und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Das wissen wir nicht erst seit Donald Trump in Amerika, welche schlimme, zersetzende Wirkung Fake News haben. Umso bedauerlicher ist die Rolle einer Regionalzeitung in Schleswig-Holstein zu bewerten, die mit ihrer Berichterstattung quasi der Auslöser für den Untersuchungsausschuss gewesen ist. Es wurde u.a. leichtfertig behauptet, dass die Landespolizei gegen Mitarbeiter dieser Zeitung Abhör- und andere Überwachungsmaßnahmen durchgeführt hätte. Ein Skandal, wenn es denn wahr gewesen wäre.

Wie eine Seifenblase zerplatzte die Geschichte in der Beweisaufnahme und Journalisten wurden als Aktivisten enttarnt, die eine politische Agenda verfolgten und die Landespolizei verunglimpfen und in Misskredit bringen wollten. Geschadet hat es am Ende den Tätern, die heute in der Landeshauptstadt keine Rolle mehr spielen. Der Schaden für die Zeitung aber bleibt. Verloren gegangene Reputation muss nun mühsam von den Kolleginnen und Kollegen wieder aufgebaut werden, die ein professionelles Verständnis von journalistischer Arbeit haben.

4. Und zum Schluss noch eine Erkenntnis, die zwar nicht unmittelbar auf die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss zurückzuführen ist, aber doch aufgrund zahlreicher Hintergrundgespräche immer wieder aufflackerte: Ich habe mich von Anfang an gefragt, welche Rolle die Polizeibeauftragte des Landes in dieser Affäre spielte und ich bin mir heute sicher, dass diese Rolle keine passive war. Schon zu Beginn des Ausschusses wurde mehr als deutlich, dass gewisse Informationen bei der Polizeibeauftragten zusammenliefen. Sie selbst hat das in ihrem Tätigkeitsbericht 2018 dokumentiert. Das wiederum hat bei mir immer wieder die Frage aufgeworfen, warum eigentlich behördeninterne Probleme nicht durch die Gremien behandelt werden, die seit Jahrzehnten bestehen und von den Beschäftigten gewählt wurden. Ich bin der Überzeugung, dass es ein Webfehler des Gesetzes ist, dass die Polizeibeauftragte sich in Angelegenheiten der Landespolizei einmischen darf, ja sogar initiativ tätig werden darf Solche Themen fallen in die Zuständigkeit der demokratisch legitimierten Personalvertretungen. Einen Nebenpersonalrat jedenfalls braucht kein Mensch und schon gar nicht die Angehörigen der Landespolizei, die sich ihre Interessenvertretung demokratisch selbst wählen. Dazu braucht es keiner Beauftragten, die vom Landtag über die Köpfe der Landesbeamten hinweg bestimmt wird.

 

Sperrfrist Redebeginn!

Es gilt das gesprochene Wort