In seiner Rede zu TOP 19+48 (Freie Gewerbeflächen landesweit und länderübergreifend auffindbar machen und Ansiedlungsstrategie Schleswig-Holstein) erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kay Richert:
„Die Wirtschaftsleistung in Schleswig-Holstein ist kleiner als in den südlichen Bundesländern. Das ist nicht schön, aber es ist so. Und es liegt auch daran, dass unsere Unternehmenslandschaft kleinteilig ist, was verschiedene Gründe haben mag. An der wirtschaftlich-strategischen Lage kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Die ist nach wie vor ziemlich gut und hat sich mit Entwicklung der Ostsee zum neuen ‚Mare Nostrum‘ eher noch verbessert. Dennoch: Gerade Industrieunternehmen – mit großer Wertschöpfung, großen wirtschaftlichen und kulturellen Effekten auf die Region, hohem Lohnniveau, tariflicher Bindung und hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad – solche Industrieunternehmen sind bei uns rarer als anderswo. Soweit zur Zustandsbeschreibung.
Aber wir wären ja nicht Jamaika, wenn wir uns mit Defiziten zufriedengeben würden. Und wer sich mit der Situation auseinandergesetzt hat – und das haben wir – musste sehr schnell erkennen: Neben der Entwicklung des Bestands müssen wir für neue Unternehmen sorgen. Deswegen haben wir – und es war uns von der FDP ein wirklich wichtiges Anliegen – im Koalitionsvertrag einen ganzen Abschnitt mit dem Titel Ansiedlungsstrategie stehen, in dem wir zum Beispiel die bessere Vernetzung der Wirtschaftsförderer untereinander, die Erleichterung von Gewerbeflächenausweisungen für Kommunen, die Erleichterung der Entwicklung regional abgestimmter Gewerbeflächen und der Schaffung interkommunaler Gewerbegebiete, den Aufbau speziell deutsch-skandinavischer Wirtschaftsbeziehungen und den Abbau von regulatorischen Hemmnissen vereinbart haben. So werden wir unser Land im Wettbewerb mit anderen Standorten – besonders mit Standorten in Deutschlands Süden – stärken.
Und machen wir uns nichts vor: Andere Bundesländer waren in den vergangenen 40 Jahren nicht erfolgreicher, weil sie geschlafen haben. Und das ist auch noch heute so: Nicht nur Hamburg, auch Baden-Württemberg, Hessen oder Bayern werben aktiv und direkt in den Herkunftsländern um Ansiedlungswillige. Auch wir haben da ja schon ein paar Dinge vorzuweisen: Seit 2016 vernetzt der Verein ‚The Bay Areas‘ Schleswig-Holstein und die Region San Francisco miteinander. Es gibt direkt in San Francisco den ‚German Accelerator‘ – ein Bundesprojekt – und das ‚Northern Germany Innovation Office‘, das wir mit Hamburg und Bremen zusammen betreiben. Das ist schon was. Das sind einzelne Initiativen, mit denen gezielt mögliche Chancen auf einem ganz bestimmten Quellmarkt eröffnet werden sollen.
Mit der Ansiedlungsstrategie wird der Ansatz ganzheitlicher. Es geht dabei nicht mehr um bestimmte Quellmärkte, sondern wir nehmen die Cluster in den Fokus. Wir stärken unsere Stärken. In der Ansiedlungsstrategie werden daher klare Ziele benannt: Es sollen qualitativ hochwertige Unternehmen gewonnen werden, mit möglichst hoher Wertschöpfung in Schleswig-Holstein und möglichst vielen Arbeitsplätzen. Es soll Unterstützung der bereits ansässigen Unternehmen in Bezug auf Entwicklung und Wachstum geben. Auch deswegen wollen wir Schwerpunktbranchen im Land, unsere Cluster, entwickeln. Es geht um die Stärkung von Forschung und Entwicklung, von Innovationskraft und Technologietransfers. Und Schleswig-Holstein soll mit einem klaren Profil wahrnehmbar im internationalen Wettbewerb um Unternehmen positioniert werden. Gerade der letzte Punkt ist ein ausgesprochen wichtiger.
Ich bin oft nördlich unserer Grenze unterwegs. Ich komme oft in Kontakt mit Unternehmern, mit Ansiedlern und mit Politikerinnen und Politikern. Und da war es immer das größte Manko Schleswig-Holsteins, dass wir in der Wahrnehmung vieler Skandinavier nur das Stück Autobahn zwischen Dänemark und Hamburg sind. Ein klares Profil und die Wahrnehmbarkeit als relevanter Standort werden uns erst in die Lage versetzen, ernsthaft mit München, mit Hamburg, Frankfurt oder Stuttgart zu konkurrieren. Neben einer deutlich definierten Zielsetzung wäre es gut für uns, wenn wir auch im Bereich der Finanzverwaltung mehr für eine aktive Ansiedlungspolitik machen würden. Mit dem Internationalen Steuerzentrum in Bayern oder dem Zentrum für internationale Betriebsprüfungen in Stuttgart gibt es Best Practice in Deutschland. Ich habe mir das angesehen und die Resultate sind beeindruckend. Allein das Internationalen Steuerzentrum soll dem Freistaat Bayern zusätzlich 190 Millionen Euro an Steuereinnahmen jährlich bringen. Selbst wenn das übertrieben sein mag, schon Bruchteile dieser Summe würden für uns gewaltige Spielräume eröffnen.
Die Frage von Flächen ist natürlich ebenfalls relevant, wenn produzierende und Handel treibende Betriebe angesiedelt werden sollen. Und natürlich ist es hochsinnvoll, wenn die bestehende Flächendatenbank um entsprechende Abfrageparameter ergänzt wird, damit verfügbare Flächen auch von allen Wirtschaftsförderern gefunden werden. Die statische, unflexible Festschreibung auf ein 1,3-ha-Ziel halte ich in diesem Zusammenhang allerdings für problematisch. Wir können nicht auf der einen Seite zu den reichen Bundesländern aufschließen, Arbeitsplätze schaffen und den Wohlstand für die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner mehren wollen und auf der anderen Seite uns dazu verpflichten, lieber nichts zu tun und Entwicklungen zu behindern.
Wir befinden uns infolge der Corona-Krise in Zeiten des wirtschaftlichen Aufbruchs. Das macht es uns möglich, uns neu zu positionieren und innerhalb einer sowieso dynamischen Situation unser Ranking zu verbessern. Dazu müssen Ansiedlungswillige und Investitionswillige in aller Welt wissen, welche Vorteile wir bieten: Eine strategisch günstige Lage zwischen Nord- und Ostsee, zwischen Skandinavien und Zentraleuropa. Hohe Lebensqualität. Gute infrastrukturelle Voraussetzungen, besonders im Bereich des Glasfaserausbaus. Ein innovatives und agiles Umfeld im Bereich der erneuerbaren Energien, der Maritimen Wirtschaft und der Medizintechnik. Wir sind das mittelstandsfreundlichste Bundesland: Wer sich bei uns ansiedelt, der hat schon einen großen Schritt in Richtung Erfolg gemacht. Und dank der Ansiedlungsstrategie wissen wir nun auch, welchen Adressaten wir das wie am besten sagen können.“
Es gilt das gesprochene Wort!