Minderheiten/ Minderheiten ins Grundgesetz

Kay Richert zu TOP 25 „Minderheiten und Volksgruppen in das Grundgesetz aufnehmen“

In seiner Rede zu TOP 25 (Minderheiten und Volksgruppen in das Grundgesetz aufnehmen) erklärt der minderheitenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kay Richert:

„Demokratie ist die Herrschaft der Mehrheit über die Gesamtheit. Das ist grundsätzlich gut und unterscheidet sich angenehm von beispielsweise Diktaturen oder Monarchien, wo Einzelne oder Wenige die Mehrheit beherrschen. Schwierig kann das für diejenigen sein, die nicht der Mehrheit angehören. Ein Schutz von Minderheiten ist also geboten; so wird gewährleistet, dass niemandes Freiheitsrechte eingeschränkt werden. So wird die freie Lebensgestaltung und letztlich auch die freie demokratische Willensbildung gewährleistet.

Der Schutz von Minderheiten ist also wichtig, trotzdem schreie ich nicht: "Hurra, lasst uns das Grundgesetz ändern." Unser Grundgesetz ist nämlich kein Stück Prosa, dass man einfach mal so ändern sollte. Das Grundgesetz hat eine sehr wichtige Funktion, es ist der Schild des einzelnen Bürgers gegen jede Willkür des Staates. Seine einfache Struktur in den Artikeln 1 bis 20 sorgt dafür, dass auch jeder Bürger seine dort garantierten Rechte nachlesen und verstehen kann.

In Artikel 6 der schleswig-holsteinischen Landesverfassung werden die nationalen Minderheiten und Volksgruppen explizit erwähnt. Sie sind Träger von besonderen Rechten gegenüber dem Land. Aber genauso gibt es die Artikel 7, 8 und 10. Hier werden Menschen mit Behinderungen, Pflegebedürftigen und Kindern und Jugendlichen ebenfalls besondere Rechte, zumeist Schutzrechte, eingeräumt. Das ist der Aufbau unserer Landesverfassung.

Das Grundgesetz ist anders aufgebaut. Anstatt einzelne Gruppen aus der Gesamtheit herauszugreifen, werden die Schutzrechte aller Menschen einmal positiv – in Artikel 2 – und einmal in Form des sogenannten Diskriminierungsverbots – Artikel 3 – formuliert. Dort heißt es: "Niemand darf wegen [seines Geschlechtes,] seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Mit anderen Worten: Alle Angehörigen ethnischer, sprachlicher, kultureller oder lebensanschaulicher Minderheiten werden in ihren Eigenheiten umfassend geschützt. Und – auch das sollte hier einmal gesagt werden – im Gegensatz zu vielen anderen Verfassungen werden bei uns nicht nur die Bürger, sondern alle Menschen durch das Grundgesetz geschützt. Ich finde, wir haben eine der modernsten, liberalsten, fortschrittlichsten Verfassungen, darauf können wir mit Recht stolz sein. Eine zusätzliche Erwähnung der Minderheiten würde zweifellos die angebrachte Wertschätzung ausdrücken, darüber hinaus aber keine weitere Wirkung entfalten.

Jetzt werden hier aber immer zwei Argumente eingebracht, die eine Änderung des Grundgesetzes zwingend erscheinen lassen sollen. Das erste ist: In Artikel 3 der schleswig-holsteinischen Landesverfassung werden doch die "im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegten Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte" zum Bestandteil der Verfassung erklärt. Einer weiteren Erwähnung von Minderheiten, Menschen mit Behinderungen, Pflegebedürftigen und Kindern und Jugendlichen hätte es gar nicht bedurft. Kann man so sehen, ist aber nicht zwingend richtig. Denn immerhin handelt es sich beim Diskriminierungsverbot um ein Verbot, nicht um ein Recht.

Das zweite Argument ist: Wir haben doch hier beschlossen, Kinderrechte ins Grundgesetz aufnehmen zu wollen. Das ist doch – genau wie bei den Minderheiten – auch nur deklaratorisch. Wie Sie sich sicherlich erinnern, hatte die FDP-Fraktion genau aus diesem Grund auch Bedenken, dieser Initiative zuzustimmen. Den Ausschlag für unsere Zustimmung hat letztlich gegeben, dass mit den Kinderrechten im Grundgesetz eine substantielle Änderung herbeigeführt werden soll: Nämlich die Stärkung von Kindern als eigene Rechtsträger gegenüber den Eltern, die nach Artikel 6 des Grundgesetzes ebenfalls Rechtsträger sind. Das hat jedenfalls mich überzeugt und wahrscheinlich ist es auch etlichen Kollegen so gegangen.

Wir stehen also vor einem Abwägungsprozess: Die Klarheit und Stringenz des Grundgesetzes auf der einen Seite gegenüber einem Ausdruck von Wertschätzung gegenüber den Minderheiten auf der anderen Seite. Ich weiß heute nicht, was die beste Lösung ist. Das muss gründlich abgewogen werden und allein der Respekt vor unserem Grundgesetz gebietet hier die weitere Beratung im zuständigen Ausschuss.“

 

(Es gilt das gesprochene Wort.)