Kay Richert zu TOP 27 "Missstände in der Paketbranche"

KR

In seiner Rede zu TOP 27 (Missstände in der Paketbranche) erklärt der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kay Richert:

,,Wir sind in unserem Beruf ja viel abends unterwegs. Wenn ich allerdings zu Hause bin und es klingelt abends um acht an der Tür, dann fühle ich mich gestört. Das ist eine Zeit, in der man zur Ruhe kommen möchte, gemeinsam zu Abend isst, sich über den Tag austauscht. Eine Zeit, die der Familie gehört. Häufig klingelt heute jemand, der wahrscheinlich auch lieber bei der Familie wäre: Ein Paketzusteller, meist ein junger Mann mit nicht markiertem weißen Lieferwagen, in der Windschutzscheibe ein Pappschild mit dem Logo irgendeines großen Zustelldienstes.

Ohne Zweifel: Es gibt Missstände in der Paketzustellbranche. Und nicht nur hier: In der Fleischindustrie gibt es zweifelhafte Beschäftigungskonstruktionen mit zweifelhaften Arbeitnehmerüberlassungen, die gleichzeitig als Vermieter auftreten. Aus der Gastronomie hört man von Bezahlungen unter Mindestlohn und am Fiskus vorbei. Und auch in anderen Bereichen der Wirtschaft sind in den vergangenen Jahren massive Missstände aufgedeckt worden. Brauchen wir deshalb neue Gesetze? Müssen wir deshalb die gesamte deutsche Wirtschaft schlecht machen und verurteilen? Muss die Bürokratie erweitert werden, um die Missstände in den Griff zu bekommen?

Eines müssen wir hier mal festhalten: Lohndumping und Unterschreitung des Mindestlohns sind bereits verboten. Das Ausnutzen von Scheinselbständigkeit ist verboten. Schwarzarbeit ist verboten. Ja, es scheint hier Verstöße zu geben. Aber was ist unsere Antwort darauf? Kann es unsere Antwort sein, wenn Gesetze nicht eingehalten werden, dass wir einfach den Verantwortlichen ändern? Dass wir den Verstoß hinnehmen und einfach auf jemand anderen zeigen? Mein Verständnis von gerechtem Staatshandeln ist das nicht. Wenn der Mindestlohn unterschritten wird, wenn Scheinselbständigkeit oder Schwarzarbeit stattfinden, dann muss das Delikt verfolgt werden und der oder die Schuldige muss dafür sanktioniert werden. So einfach ist Latein.

Unsere mittelständische Wirtschaft hält sich zum weitaus größten Teil an die bestehenden Gesetze. Und nicht nur das: All die gesetzestreuen Unternehmerinnen und Unternehmer stehen auf unserer Seite, wenn es gegen die Schummler und Schieber geht. Schon aus eigenem Interesse: Denn sie sind es doch, die für die Unehrlichen mit herangezogen werden, finanziell wie moralisch. Ich finde es hat schon einen schalen Beigeschmack, wenn die SPD die Wirtschaft ­ sei sie mittelständisch oder klein oder groß ­ unter Pauschalverdacht stellt. Nichts anderes fordern Sie hier mit Ihrem Antrag.

Wir wollen das nicht. Und Sie bleiben ja noch nicht einmal dabei. Was Sie wollen, ist die weitere Strangulierung der Betriebe mit weiteren Dokumentationspflichten, mit noch mehr Bürokratie. Gerade für Schleswig-Holstein mit seiner kleinteiligen Wirtschaftsstruktur ist das schlimm. Wir wollen die Betriebe entlasten, wie wir es ja auch bereits getan haben. Ich erinnere hier an die Abschaffung des Landesmindestlohns oder an die Erneuerung des Vergaberechts. Wir wollen Schleswig-Holstein zum mittelstandsfreundlichsten Bundesland machen. Murks aus Berlin können wir nicht gebrauchen.

Wie wir gestern aus den Nachrichten entnehmen konnten, hat sich der Koalitionsausschuss in Berlin tatsächlich darauf geeinigt, die Nachunternehmerhaftung in der Zustellbranche mit allen daraus resultierenden Folgen umzusetzen. Gleichzeitig sollen kleine und mittlere Unternehmen, Bürger und Verwaltung vom Bürokratieabbau profitieren. Da bin ich aber sehr gespannt ­ zusätzliche Dokumentationspflichten und gleichzeitige Entlastung von Bürokratie. Entweder die GroKo in Berlin kann zaubern oder es erwartet uns ein weiteres Lippenbekenntnis, eine weitere Mogelpackung, wieder einmal eine leere Ankündigung. Dabei war die Union in der GroKo doch auf einem guten Weg: Bundeswirtschaftsminister Altmaier, der in letzter Zeit ja nicht das beste wirtschaftspolitische Gespür bewiesen hat, hat die Nachunternehmerhaftung bis zuletzt abgelehnt und gemahnt, die Unternehmen dürften angesichts der zuletzt schwachen Konjunktur nicht zusätzlich belastet werden. Neue bürokratische Entlastungen müssten vermieden werden.

Schade, dass er sich diese richtige Haltung durch einen faulen Kompromiss abkaufen lassen hat.

Wir wollen nicht, dass unser Mittelstand für die Verfehlungen anderer haften soll. Wir wollen nicht, dass unsere Betriebe in Bürokratie erstickt werden.

Und wir wollen nicht, dass unsere Unternehmerinnen und Unternehmer unter Generalverdacht gestellt werden. Die Bundesregierung entfernt sich immer weiter von den mittelständischen Betrieben in unserem Land. Den Betrieben, in denen Unternehmer und Arbeitnehmer den Wohlstand unseres Landes erwirtschaften. Wir Freie Demokraten werden auch weiterhin zu unserem soliden Kurs stehen. Leider hat sich die CDU in Berlin das Rückgrat abkaufen lassen."

 

Es gilt das gesprochene Wort.