Umwelt/Glyphosat

Oliver Kumbartzky: Die Sinnhaftigkeit des Antrages drängt sich nicht gerade auf

„Am 22. September dieses Jahres hat der ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette der Europäischen Kommission beschlossen, die Genehmigung für Glyphosat um ein halbes Jahr zu verlängern, da die Genehmigung vor dem Abschluss des Prüfverfahrens auszulaufen drohte. Dazu war er nach Artikel 17 der EU-Verordnung Nr. 1107/2009 verpflichtet.

 

Heute will die Koalition beschließen, dass sich die Landesregierung – entgegen den für den vorliegenden Fall vorgesehenen Regelungen der eben genannten Verordnung – für ein Moratorium für die Zulassung von Glyphosat einsetzt.

 

Sie bitten die Landesregierung also drei Wochen zu spät um etwas, von dem es zumindest sehr fraglich ist, ob es rechtlich überhaupt möglich ist. Die Sinnhaftigkeit des Antrages drängt sich also nicht gerade auf.

 

Aber: Auch wenn es sich um einen symbolischen Antrag mit rein deklaratorischem Charakter handelt, verdient dieses sensible Thema eine angemessene Auseinandersetzung. Dabei ist es wichtig, dass wir die Debatte sachlich und nüchtern führen.

 

Daran muss sich auch der vorliegende Antrag messen lassen. Dieser lässt an der einen oder anderen Stelle aber die dafür erforderliche Objektivität leider vermissen.

 

So heißt es in der Begründung, die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) habe Glyphosat als ‚wahrscheinlich krebserregend beim Menschen‘ eingestuft. Das ist zwar richtig, wahr ist aber auch, dass es in der Wissenschaft unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, ob Glyphosat krebserregend wirkt.

 

Sowohl das Bundesinstitut für Risikobewertung als auch die Bewertungsbehörden der EU, Kanadas und der USA – und zwar teilweise auch unter Berücksichtigung der IARC-Monographie – sind zu dem Ergebnis gekommen, dass bei bestimmungsgemäßer Anwendung von Glyphosat kein krebserzeugendes Risiko für den Menschen zu erwarten ist.

 

Das wird mit keinem Wort erwähnt, obwohl es sich hierbei keinesfalls um eine wissenschaftliche Mindermeinung handelt. Ich will gar nicht verhehlen, dass die Bewertungen des BfR in der Wissenschaft nicht unumstritten sind. Und die Kritik – soweit ich das beurteilen kann – ist in Teilen auch sicher berechtigt. Das gleiche gilt aber auch für die Monographie der IARC. Professor Helmut Greim, Toxikologe der Technischen Universität München, beanstandet etwa, dass die Ergebnisse bestimmter, von der IARC berücksichtigter Studien zweifelhaft sind und darüber hinaus eine Gewichtung der Beweise unterlassen wurde.

 

Im Übrigen weist sogar das IARC selbst in seiner Monographie darauf hin, dass die untersuchten Studien für die Bewertung des reinen Wirkstoffs Glyphosat nur von geringer Relevanz sind (‚limited evidence in humans‘). Auch das erwähnen Sie in Ihrem Antrag lieber nicht.

 

Solche Auslassungen sind nicht unbedingt ein Indiz für die Sachlichkeit eines Antrags. Ganz im Gegenteil: sind sie geeignet, Verunsicherung zu schaffen.

 

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ihre Absicht ist. Allerdings – und das müssen Sie auch aushalten können – haben die Grünen noch vor kurzer Zeit medienwirksam wegen des Nachweises von Glyphosat in Muttermilch Alarm geschlagen, wobei Sie bewusst verschwiegen, dass der Säugling der am stärksten belasteten Mutter täglich mindestens 2.778 Liter Muttermilch trinken müsste, um den in Deutschland geltenden Grenzwert zu überschreiten.

 

Wirklich problematisch ist es aber, wenn Sie auch noch versuchen, die Befürworter einer Erlaubniserteilung zu diskreditieren, indem Sie ihnen fehlende Unabhängigkeit unterstellen. Wenn Sie nämlich eine unabhängige Vergabe von Risikostudien durch die Zulassungsbehörde bei Finanzierung durch den Antragsteller fordern, suggerieren Sie ja, das Bundesinstitut für Risikobewertung sei von der Pflanzenschutzmittelindustrie beeinflusst worden.

 

Das BfR, gegründet im Übrigen auf Initiative von Renate Künast, ist aber schon von Gesetzes wegen verpflichtet, Studienergebnisse allein nach wissenschaftlicher Qualität und Evidenz der Studien zu beurteilen. Es bewertet also nach rein wissenschaftlichen Kriterien ohne Ansehen des Auftraggebers. Insofern würde eine Änderung des rechtlichen Rahmens nur die Glaubwürdigkeit des BfR beschädigen, ohne die Objektivität des Zulassungsverfahrens in irgendeiner Weise zu stärken. Zumal sich ja auch die von der Industrie in Auftrag gegebenen Studien an Richtlinien der OECD und EU halten müssen.


Ich beantrage, den Antrag in den Umweltausschuss zu verweisen, um dort eine sachliche Debatte zu führen, gerne ergänzt durch eine Anhörung. Hier kann dann auch über die Anwendung von Glyphosat im Haus- und Kleingartenbereich diskutiert werden. Das hielte ich definitiv für sinnvoll.“