Energie/Ausbau der Windkraft

Oliver Kumbartzky: Kollektive Selbsthypnose der Landesregierung bringt unser Land nicht voran

„Herr Ministerpräsident, das, was Sie eben vorgetragen haben, war ein energiepolitischer Offenbarungseid. Sie scheinen jeden Gestaltungsanspruch verloren zu haben. Und als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, fährt Ihnen Ihr Energiewendeminister Dr. Habeck permanent in die Parade und kritisiert das, was Sie kurz vorher noch begrüßt haben.

Deutlich wird das an der aktuellen Diskussion über das Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG). Das Ziel, eine Überförderung zukünftig auszuschließen, ist richtig. Hier teile ich Ihre Einschätzung Herr Ministerpräsident. Die Umstellung auf einen Mengenansatz verbunden mit einem Ausschreibungssystem ist ein Schritt in die richtige Richtung zu mehr Wettbewerb und damit zu mehr Marktwirtschaft. Das bisherige System der Einspeisevergütung war marktfeindlich und gehört zu Recht abgeschafft.  

Zur Wahrheit gehört aber auch: Ausschreibungen werden den Teilnehmern natürlich einiges an bürokratischem Aufwand und wirtschaftlichem Risiko abverlangen – was gerade für die kleinen Marktakteure der dezentralen Energiewende ein Hindernis sein kann. Das Ganze kann schlimmstenfalls zu Oligopolbildung beitragen. Die vielgepriesene Akteursvielfalt der Energiewende steht damit zur Disposition. Hier erwarten wir gerade für die Zukunftsfähigkeit der Bürgerwindparks deutliche Nachbesserungen.

Bedauerlich aus Sicht der FDP-Fraktion ist auch, dass die MP-Runde bei der Kanzlerin keinen Durchbruch beim Thema Strompreis erzielt hat. Offenbar war das nicht einmal Thema. Dabei belasten die seit Jahren immer weiter ansteigenden Strompreise Unternehmen und private Haushalte gleichermaßen. Aufgrund der permanent steigenden EEG-Umlage, der Stromsteuer und der auf beides zusätzlich erhobenen Mehrwertsteuer kommen die seit einigen Jahren wieder sinkenden Großhandelspreise bei den Stromkunden nicht an.

Notwendig ist daher neben einer umfassenden EEG-Reform eine deutliche Senkung der Stromsteuer. Ein weiterer Kostenpunkt sind die unterschiedlichen Netzentgelte. Ein bundeseinheitliches Netzentgelt ist dringend geboten. Bei diesen Themen schweigen sich die Ministerpräsidenten leider aus.

Ein weiterer Punkt, wo Sie sich, Herr Ministerpräsident, nicht durchsetzen konnten, sind die so genannten Netzengpassgebiete. Es macht überhaupt keinen Sinn, eine gerade Linie zwischen Nord- und Süddeutschland zu ziehen. Dass im Norden der Zubau von Windkraftanlagen auf 58 Prozent des jetzigen Niveaus sinken soll, führt doch dazu, dass windreiche Standorte bei Ausschreibungen den Kürzeren ziehen werden. Und das wird dann dazu führen, dass die Vergütungssätze im Süden steigen - und damit wieder die EEG-Umlage.

Die eben genannte Regelung wird dazu führen, dass weniger als 150 Windenergieanlagen pro Jahr in Schleswig-Holstein zugebaut werden können. Zuletzt waren es rund 300.

Dass Sie, Herr Minister Dr. Habeck, den Ausbau der Windenergie bzw. Ihre energiepolitischen Ziele nun strecken wollen, ist vor diesem Hintergrund weder verwunderlich noch eine gestalterische Glanzleistung. Sie haben ja keine andere Wahl. In der Energiewende sind Sie kein aktiver Faktor - Sie sind ein Getriebener. 

Dass Sie nunmehr vom 300-Prozent-Ziel abrücken, ist zwar ausdrücklich zu begrüßen. Es ist aber nicht mutig und ganz sicher auch kein Entgegenkommen an all diejenigen, die Sorgen um ihre Gesundheit und den Wert ihres Eigentums haben. Es ist ganz allein ein Resultat des Kompromisses, den Ihr Ministerpräsident in Berlin mit ausgehandelt hat.

Sie verabschieden sich von dieser planwirtschaftlichen Vorgabe, weil Sie wissen, dass Sie sie nicht mehr erreichen können. Diese Einsicht haben Sie immerhin der CDU voraus, die in ihrem heute vorliegenden Antrag noch starr am 300-Prozent-Ziel festhalten will.

Auch wenn die Ergebnisse aus Berlin unterm Strich nicht gut für Schleswig-Holstein sind, sollten wir die aus der EEG-Reform resultierende Drosselung des Ausbaus zumindest nutzen, um Versäumnisse der letzten Zeit aufzuarbeiten.

Wir Freie Demokraten haben es an dieser Stelle schon mehrfach gefordert: Die Menschen müssen besser vor Schatten und Lärm geschützt werden.

Eine grundlegende wissenschaftliche Überprüfung der Prognosen und Bewertungen von Schallimmissionen für hohe Anlagen, die auch gesundheitsschädliche Auswirkungen durch übermäßige und vor allem niederfrequente Schallentwicklung und Infraschall untersucht, ist deshalb unerlässlich, um Wissensdefiziten abzuhelfen und die Rechte von Nachbarn von Beginn an wirkungsvoll zu schützen.

Das wäre ein deutliches Signal an die Bürgerinnen und Bürger, dass ihre Belange beim Ausbau der Windenergie wieder stärker berücksichtigt werden. Damit könnte man die verlorengegangene Akzeptanz der Energiewende zurückgewinnen.

Die  Ankündigung der LandesregierungHed, ein Messprogramm zur Schall-Belästigung durchzuführen, war insofern auch längst überfällig. Wir erwarten, dass es sich hier jetzt aber nicht nur um rhetorische Placebos handelt, sondern auch ergebnisoffen geprüft wird.

Ihre bisherigen Signale sind ja einigermaßen irritierend. Einerseits halten Sie Infraschall für unbedenklich und die DIN-Normen für richtig, andererseits für nicht ganz präzise. Und es ist auch nicht gerade vertrauensfördernd, wenn man, wie Kollege Detlef Matthiessen von den Grünen es am 9. September 2015 im Umweltausschuss getan hat, die gesundheitlichen Bedenken der Menschen in Bezug auf Infraschall als Zitat 'Märchen' abkanzelt.

Bis wir beim Thema Schall Ergebnisse haben, - und dass drückt unser Antrag aus - müssen die Abstände unter dem Gesichtspunkt des vorbeugenden Immissionsschutz festgelegt werden.

Es geht um die Menschen und da sollte das Vorsorgeprinzip gelten. Wir müssen frühzeitig und vorausschauend handeln, um Belästigungen der Menschen durch Windkraftanlagen zu vermeiden.

Wenn künftig ohnehin nur noch weniger als 150 Windenergieanlagen pro Jahr in Schleswig-Holstein errichtet werden können, sollten für diese deshalb auch die größtmöglichen Abstandsregelungen gelten.

Wir haben mit unserem vorliegen Antrag Vorschläge unterbreitet, wie das funktionieren könnte. Wir machen der Koalition hier einen konstruktiven Vorschlag und setzen auf eine ernsthafte Diskussion darüber in den zuständigen Ausschüssen. Wir lassen nicht wie die CDU einfach zwei neue, willkürliche Abstandszahlen in den Plenarsaal plumpsen, sondern wir fordern anlagenhöhenabhängige Abstände, differenziert nach der Schutzbedürftigkeit des benachbarten Gebiets.

Das heißt: Für besonders geschützte Qualitäten des Wohnens sollte 7 mal Höhe, mindestens aber 1000 Meter, gelten. Für den Außenbereich 4 mal H und mindestens 500 Meter. Für den Fall, dass sich die Restfläche durch die Abstandsvorgaben signifikant verringern sollte, muss dieser Verlust eben durch eine Verschiebung von Tabukriterien in den Abwägungskatalog ausgeglichen werden. Hinzu kommt, dass ja die Möglichkeit verbleibt, die Windräder auch niedriger zu bauen. Dass sie dadurch weniger rentabel werden, ist verfassungsrechtlich nicht relevant, wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof vor Kurzem festgestellt hat.

Klar ist aber auch: Wenn nach der Novellierung des EEG nunmehr noch größere Abstände möglich sind, sollten selbstverständlich diese gelten.

Entscheidend ist, dass die Belange der Menschen wieder stärker in den Vordergrund rücken.

Aus diesem Grund werden wir uns dem Vorschlag von Frau Staatssekretärin Nestle, den Gemeinden bei den Abständen zwischen Windkraftanlagen und Wohnhäusern ein Mitbestimmungsrecht einzuräumen, auch nicht verschließen. Wir erwarten aber auch, dass den Worten hier schnellstmöglich Taten folgen.

Wenn wir nämlich eines feststellen müssen, dann das, dass Sie sich immer erst dann bewegen, wenn entweder der Druck von außen zu groß wird, oder Sie ohnehin gar keine andere Wahl haben. Und die Erfahrung bei der Frage, wie wir die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes beim Windenergieausbau so gut wie eben rechtlich möglich beteiligen, hat doch vor allem eines gezeigt: In der Regel bleibt es bei bloßen Ankündigungen.

Sie, Herr Ministerpräsident, haben vor über einem Jahr in diesem Hohen Haus gesagt: Es ist unsere Aufgabe nach dem Urteil des OVG Schleswig, Antworten zu finden, wie wir Bürgerbeteiligung nicht nur fakultativ, sondern wieder möglichst verbindlich hinbekommen.  Daran, das haben Sie, Herr Ministerpräsident, am 20. Mai 2015, gesagt, 'werden wir uns gemeinsam messen lassen müssen'.

Und was hat die Landesregierung bisher gemacht: Nichts.

Und jetzt - über ein Jahr später - wird ein 'Prüfauftrag' erteilt. Immerhin.

Nur wenn ich mir ansehe, was Ihr Umweltminister uns immer vorwirft, - nämlich, dass wir politische Abstände fordern und dass unsere Forderungen zu einem faktischen Ausbaustopp führen würden - dann frage ich mich, wie dieses Mitbestimmungsrecht der Gemeinden denn aussehen soll.

Einerseits sagen Sie uns, die Abstände können nicht vergrößert werden, weil dann nicht genug Restfläche verbleibt, andererseits sagen Sie nun, es würde zur Ihrem Konzept passen, wenn die Gemeinden eben doch größere Abstände festlegen können.

Was sollen denn das dann für Abstandsregelungen sein?  Und wie wollen Sie diese abweichenden Abstände rechtssicher einführen? Das OVG Lüneburg hat im letzten Dezember klargestellt, dass solche Abstände grundsätzlich nicht als harte Tabukriterien festgelegt werden dürfen.

Auf diese Fragen brauchen wir Antworten. Und zwar so schnell wie möglich. Ich hätte mir deshalb auch gewünscht, wenn Sie hierzu Stellung genommen hätten. Die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Planer und Kommunen, brauchen Rechtssicherheit. Hier sind Sie gefordert, Herr Ministerpräsident.

Aber nicht nur bei den Abständen sind Sie gefordert, sondern auch bei weiteren landesplanerischen Punkten. Es ist unfassbar, dass Empfehlungen der eigens eingesetzten Gutachter zum Thema 'charakteristische Landschaftsräume' ignoriert werden. Die Gutachter empfehlen eine Einstufung als weiches Tabukriterium - und was macht die Landesregierung? Sie stuft die charakteristischen Landschaftsräume als Abwägungskriterium ein. Da soll sich dann niemand wundern, wenn erste Kreise nun verständlicherweise dazu über gehen, großräumige Landschaftsschutzgebiete ausweisen, mit dem dortigen Verbotstatbestand in Sachen Windkraft-Nutzung.

Wenn Sie, Herr Albig, im nächsten Jahr nicht mit einer völligen energiepolitischen Bankrotterklärung vor die Wähler treten wollen, ist noch einiges zu tun. Neben den schon genannten Punkten möchte ich hier abschließend noch die Energiespeicherung erwähnen. Hier ist beim Engagement der Landesregierung noch deutlich Luft nach oben. Das betrifft zum einen die Forschung und zum anderen den Einsatz dafür, bürokratische und netzkostentechnische Belastungen abzubauen. Aber nicht nur die Speicherung ist von zentraler Bedeutung, sondern auch der Stromverbrauch. Hier meine ich zum einen die Energieeffizienz, zum andern aber auch die Ansiedlung von Energieabnehmern. Wir brauchen endlich eine konsequente Ansiedlungsstrategie und ein konkretes Industriekonzept. Die Landesregierung kann nach über vier Jahren im Amt bedauerlicherweise noch immer kein konkretes Konzept vorweisen. 

Weitere Punkte sind der Wärmemarkt und der Bereich der Mobilität. Auch hier ist außer Ankündigungen zu Beginn der Legislaturperiode nicht viel herausgekommen.

Herr Albig, Herr Habeck, kommen Sie endlich in die Puschen. Ihre kollektive Selbsthypnose bei der Energiewende bringt unser Land nicht voran."