Energie/Windkraft

Oliver Kumbartzky: Mehr Beteiligung ist gut – mehr Mitbestimmung wäre besser

„Herr Ministerpräsident, zur Vorbereitung der heutigen Debatte habe ich mir noch einmal Ihre Reden nach dem OVG-Urteil angeschaut. So haben Sie zum Beispiel am 20. Mai des vergangenen Jahres gesagt, dass es Ihre Aufgabe sei, nach dem Urteil des OVG Schleswig Antworten zu finden, wie man Bürgerbeteiligung nicht nur fakultativ, sondern wieder möglichst verbindlich hinbekomme. Daran – das haben Sie, Herr Ministerpräsident, gesagt – werden Sie sich messen lassen.

 

Es war also Ihr Anspruch, beim Thema Bürgerbeteiligung gemessen zu werden. Herr Ministerpräsident, wir haben Ihnen Ihre Worte damals abgenommen. Wir glaubten Ihnen, dass Sie die ernste Absicht hatten, Bürgerbeteiligung wieder verbindlich zu ermöglichen.

 

Aber wenn man jetzt objektiv Bilanz zieht, muss man feststellen, Herr Albig, dass Sie an ihren eigenen Ansprüchen kläglich gescheitert sind. Und das Schlimmste ist: Sie haben noch nicht einmal den Ehrgeiz, an diesem Zustand etwas zu ändern.


Die Opposition ist es, die beim Thema Windenergie die konstruktiven Vorschläge macht. Das geht über Abstandsregelungen und die Erforschung von gesundheitlichen Auswirkungen bis hin zur Bürgerbeteiligung. Von der Koalition kommt absolut gar nichts.


Heute nun ist es ein Gesetzentwurf der CDU-Fraktion, den wir beraten. Der kommt jetzt zwar in gewisser Weise zur Unzeit, weil zum einen eine ausführliche parlamentarische Beratung zum Thema Bürgerbeteiligung gerade erst beendet wurde und zum anderen die Regionalpläne in Kürze ins Anhörungsverfahren gegeben werden sollen.

 

In der Sache ist der Gesetzentwurf aber durchaus ein Schritt in die richtige Richtung – wenn auch nur ein sehr kleiner Schritt. Und was von ganz entscheidender Bedeutung ist: Der Gesetzentwurf beinhaltet ein Mehr an Beteiligung im Planungsprozess. Aber eben auch nur Beteiligung.

 

Worum es hier nicht geht, ist Mitbestimmung. Das, was die Menschen im Land wollen, nämlich demokratische Mitbestimmung über die Ausweisung von Windeignungsflächen, bekommen sie hier nicht.

 

Wenn die Union also von mehr Mitbestimmung für die Gemeinden spricht, ist das in gewisser Weise irreführend. Es geht hier allein um eine Form der Beteiligung und gerade nicht um Mitbestimmung im engeren Sinne.

 

Und das sollte man den Bürgerinnen und Bürgern im Land auch ganz klar sagen: Durch den Gesetzentwurf wird dem Willen der Bevölkerung vor Ort – sei es in Form einer Ablehnung oder Zustimmung – überhaupt nicht zur Durchsetzung verholfen. Es soll nur eine zusätzliche Prüfpflicht der Landesplanungsbehörde geschaffen werden. Und diese greift auch nur dann, wenn die Entscheidung der Gemeinde sachlich begründet ist. Das heißt: Nur der Bürgerwille an sich würde gar nicht reichen. Eine wirkliche Demokratisierung des Planungsrechts wird durch den CDU-Gesetzentwurf also nicht erreicht.

 

Hinzu kommt: Die Gemeinden können letztlich nur abwägungserhebliche Belange, also nachvollziehbare Interessen im Sinne von Paragraf 2 Raumordnungsgesetz geltend machen, die von der Landesplanungsbehörde ohnehin bereits geprüft worden sind.

 

Mit anderen Worten: In der Regel wird die Eingabe der Gemeinde wahrscheinlich gar nichts bewirken, weil die Landesplanungsbehörde nochmal die gleiche Entscheidung treffen wird.

 

Und ändert sie ihre Entscheidung ausnahmsweise doch, könnte das Gesetz zu einem anderen Problem führen: Sollte die Landesplanungsbehörde nämlich zu dem Ergebnis kommen, dass die von der Gemeinde geltend gemachten abwägungserheblichen Belange bisher tatsächlich nicht ausreichend berücksichtigt wurden, könnten Flächen ausgewiesen werden, die bislang außen vor geblieben waren. Betroffen wäre dann eine andere Gemeinde, die möglicherweise gar keine Windenergienutzung wünscht. Der ‚Schwarze Peter‘ würde so einfach weitergeschoben. Das schafft aber keinen Rechtsfrieden, sondern Misstrauen!

 

Insofern ist der Gesetzentwurf der Union zwar grundsätzlich zu begrüßen, aber in der Sache viel zu wenig.

 

Wollen wir mehr Mitbestimmung für die Menschen im Land, müssen wir andere Optionen prüfen. Wir haben deshalb schon mehrfach gefordert, dass die Landesregierung umgehend prüfen sollte, ob zumindest die positive gemeindliche Zustimmung zu Gunsten von Eignungsgebieten als Ausdruck kommunaler Planungsvorstellungen relevant sein darf, wenn die Verhältnisse in der Planungsregion dies ermöglichen. Hier wäre die Ausrichtung an gemeindlichen Wünschen kein In-Frage-Stellen der abwägungserheblichen Belange der Regionalplanung, sondern ein möglicherweise verbindlich berücksichtigungsfähiger öffentlicher Belang. Nebeneffekt wäre, dass Flächen, denen Gemeinden widersprechen, erst zweitrangig oder gar nicht ausgewählt werden.


Abschließend noch folgende Feststellung: Solange es keine rechtssicheren Lösungen in Sachen Bürgerbeteiligung gibt, sollte ernsthaft über das planwirtschaftliche 300%-Ziel und die dementsprechend zur Verfügung gestellte Landesfläche diskutiert werden. Vor dem Hintergrund, dass mehr Windkraftanlagen derzeit keinen Einfluss auf den CO2-Ausstoss haben und in Schleswig-Holstein 2015 Wegwerfstrom im Wert von über 170 Mio. Euro produziert wurde, sind solche politischen Vorgaben kaum sachlich begründbar. Ein weiterer Punkt: Wenn ohnehin nur noch weniger als 150 Windkraftanlagen pro Jahr in Schleswig-Holstein errichtet werden können, sollten hier auch größtmögliche Abstandsregelungen gelten.“