Agrar/Regierungserklärung

Oliver Kumbartzky: Minister Dr. Habeck hat eine ziemlich selektive Wahrnehmung des ländlichen Raumes

„Minister Robert Habeck sagte in seiner Regierungserklärung den Satz: ‚Die Landesregierung bekennt sich zum ländlichen Raum.‘ Ich sage: Was selbstverständlich ist, sollte man eigentlich nicht extra betonen müssen.

Gleichwohl: Die Genehmigung von 620 Millionen Euro Fördergeldern ist gut für unser Land und hier gebührt auch Ihnen, Herr Minister, Dank für Ihre Anstrengungen. Und auch der Einsatz der Mittel findet – wenn auch nicht uneingeschränkt – aber doch in Ansätzen, unsere Zustimmung.

 

Ich will nicht so weit gehen wie der Oppositionsführer, der vor kurzem ja noch erklärt hat, er fände 80 Prozent der Entscheidungen von Umweltminister Habeck inhaltlich richtig. Aber: Vieles ist durchaus konsensfähig. Die Förderung der AktivRegionen, der Ausbau des Breitbands in der Fläche und die Modernisierung der ländlichen Wege sind richtige Maßnahmen. Hier wird dem ländlichen Raum geholfen.

 

Auch die 68 Millionen Euro für den Hochwasser- und Küstenschütz sind sinnvoll und zu begrüßen. Es ist wichtig, dass unsere Küsten so gut wie möglich geschützt werden und dass Schleswig-Holstein optimal auf Sturmfluten vorbereitet ist. Mangelnder Küstenschutz kann Menschen, Tiere, Natur und Vermögen in höchste Gefahr bringen. Das wäre unverantwortlich.

 

Es gibt auch unbestritten gute Gründe, den ökologischen Landbau zu fördern. Die Nachfrage an Bio-Lebensmitteln steigt. Und ökologischer Anbau trägt zu mehr Artenvielfalt bei. Auf ökologisch bewirtschafteten Flächen leben im Schnitt 30 Prozent mehr Arten als auf vergleichbaren konventionellen Flächen.

Ökobauern erbringen Umweltleistungen und weil diese nun einmal Geld kosten, ist eine Kompensation dafür angemessen.

 

Wie nachhaltig sich ökologisches Wirtschaften tatsächlich auswirkt, ist zwar noch nicht klar. Aussagekräftige Messungen von Ressourcenverbrauch und -erhalt gibt es bislang nicht.

 

Das Problem ist aus unserer Sicht allerdings auch nicht die Förderung an sich, sondern die Verteilung der Mittel. Die besondere Schwerpunktsetzung auf die Förderung des Ökolandbaus erscheint eher der politischen Profilierung zu dienen, als sachlich begründet zu sein.   

 

Problematisch ist schon, ob es bei einer so geringen Anzahl von Förderberechtigten überhaupt zu einem kompletten Mittelabfluss kommen wird. Ökologischer Landbau stellt mit rund 500 Betrieben und 37.000 Hektar nur rund vier Prozent der bewirtschafteten Fläche. Es ist also zu erwarten, dass Ihr politisches Signal letztlich in Mittelumschichtungen verebbt.

 

Zweifelhaft ist auch, ob die Förderung selbst nachhaltig ist. Die Förderung allein schafft keine unternehmerische Entwicklungsperspektive, sondern führt die Betriebe direkt in die staatliche Abhängigkeit.

 

Tatsächlich liegt der durchschnittliche Gewinn von Betrieben mit ökologischem Anbau in der Regel über jenem konventioneller Vergleichsbetriebe – das aber nur aufgrund der staatlichen Förderung.

 

Im Übrigen werden schon heute die positiven Einkommenseffekte teilweise durch die gestiegenen Preise für Betriebsmittel überlagert. Wenn die geförderten Betriebe nun dazu noch verpflichtet sind, den Landesmindestlohn von 9,18 Euro zu zahlen, führt das sicher nicht zur Reduzierung der Produktionskosten. Gleichzeitig ist der Landesmindestlohn ein Wettbewerbsnachteil zu anderen Bundesländern, in denen keine 9,18 Euro vorgeschrieben sind.

 

Hinzu kommt: Nur zu fördern, ist zu kurz gedacht. Eine Garantie auf eine Förderung für den Rest des Betriebslebens, das wissen Sie auch, kann es nicht geben.

 

Nach einer Studie des Thünen-Instituts in Braunschweig steigen jedes Jahr 606 Landwirte aus dem Ökolandbau aus. Zwei Drittel von ihnen kehren zu konventionellen Anbaumethoden zurück. Und warum wechseln so viele Biolandwirte zurück?  Die Gründe sind neben den geringen Erträgen vor allem die strengen Bio-Richtlinien wie die umfassenden Dokumentationspflichten und Kontrollen sowie die unzureichenden Vermarktungsmöglichkeiten.

 

Die Ausdehnung der ökologischen Landwirtschaft ist von Ihnen politisch gewollt. Wenn das aber so ist, dann ist eine Politik, die allein auf finanzielle Förderung setzt, zu kurz gesprungen.

 

Man muss sich auch mit den Höfen beschäftigen, die aufhören. Es muss doch besonders für einen grünen Minister ein Anliegen sein, hier ein nachhaltiges Wachstum zu gewährleisten. Die geplanten sechs Millionen Euro für Direktverarbeitung und Vermarktung reichen hier aber nicht aus.

 

Natürlich sind Vermarktungsmöglichkeiten und wettbewerbsfähige Wertschöpfungsketten primär Aufgabe der Wirtschaft, doch kann sich die Politik hier durchaus für faire Marktbedingungen einsetzen. Das haben Sie, Herr Minister, früher von anderen gefordert. Jetzt müssen Sie sich daran auch messen lassen. Die Zusammenarbeit zwischen Einzelhandel und Landwirtschaft – auch der konventionellen Landwirtschaft – in der Initiative Tierwohl kann hier als Beispiel dienen.

 

Fördermittel verteilen ist das Eine, die Rahmenbedingen zu schaffen ist das Andere.

 

Zumindest fragwürdig ist es auch, nur den Ökolandbau zu fördern, während die konventionelle Landwirtschaft in weiten Teilen außer Acht gelassen wird.

 

Politik ist immer eine Frage der Prioritätensetzung. Und die Verteilung der ELER-Mittel zeigt eines ganz deutlich: Priorität genießt die konventionelle Landwirtschaft bei Ihnen nicht.

 

Der ökologische Landbau wird massiv gefördert. Die konventionelle Landwirtschaft, die immerhin 95 Prozent der Flächen stellt, steht hintenan.

 

Und das, obwohl sich das Eine gezeigt hat: Betriebswirtschaftliche Eigenverantwortung der Landwirte kann zum Naturschutz beitragen und so gesellschaftlichen Fortschritt bringen. Vertragsnaturschutz, Allianz Gewässerschutz, Initiative Tierwohl. Überall arbeiten Landwirte zum Wohl der Allgemeinheit konstruktiv mit. 

 

Die konventionelle Landwirtschaft trägt auch unmittelbar zum Naturschutz bei und ermöglicht zugleich die Ausdehnung des ökologischen Sektors. Während der Biolandbau aufgrund der niedrigeren Erträge mehr Flächen benötigt, schafft die konventionelle Landwirtschaft die Voraussetzung, mehr Flächen der Natur zu überlassen. 

 

Sie ‚honorieren‘ das, indem Sie im Bereich der konventionellen Landwirtschaft mit einem Mehr an Ordnungsrecht regieren oder einfach untätig bleiben.

 

Selbstverständlich muss die Agrarpolitik sowohl die Verbraucherinnen und Verbraucher als auch die Umwelt im Blick haben. Sie darf dabei aber nicht die Erzeuger vergessen.

 

Letztlich zeugt die Verteilung der ELER-Mittel von einer ziemlich selektiven Wahrnehmung des ländlichen Raumes. Konventioneller und ökologischer Landbau müssen gleichwertige Zweige der Landwirtschaft sein. Und dies muss sich in einer ausgewogenen Förderung niederschlagen.

 

Wenn man mit dem Anspruch antritt, den ländlichen Raum zu stärken, dann aber einen großen Teil der Fördersumme nur vier Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche zur Verfügung stellt, fördert man nicht den ländlichen Raum, sondern allenfalls eine kleine Ecke. Den Effekt für die Fläche kann ich hier nicht erkennen.“