„Ministerpräsident Torsten Albig ist einst mit großen Worten und Ankündigungen Richtung Westküste gestartet. Er sagte in einem dpa-Interview im Juni 2012: ‚Sie [die Westküste] ist für uns kein Randgebiet oder das Sorgenkind des Landes, sondern unser entscheidendes Entwicklungsareal, mindestens auf Augenhöhe mit der Metropolregion Hamburg.‘
Jetzt ist die Legislaturperiode schon deutlich in der zweiten Halbzeit und es ist an der Zeit, einmal eine Zwischenbilanz zu ziehen. Was ist aus den Ankündigungen geworden? Welche Perspektiven hat die Westküste unter der Koalition, die neue Horizonte versprach?
Die FDP-Fraktion forderte einen schriftlichen Bericht ein. Dieser liegt nun vor. Vielen Dank dafür, wobei anzumerken ist, dass der Bericht seinem Titel ‚Perspektiven für die Westküste‘ nicht gerecht wird. Von Perspektiven ist dort weit und breit nicht die Spur. Der Bericht ist unterm Strich ein westküstenpolitischer Offenbarungseid.
Die Landesregierung hat mittlerweile ihre ganz eigene, abschätzende Meinung zur Westküste. Um ein Beispiel zu nennen: Das größte Industriegebiet Schleswig-Holsteins liegt bekanntlich in Brunsbüttel. Die Meinung von Staatssekretär Nägele dazu war vor einigen Wochen bei einer öffentlichen Ausschusssitzung zu hören. Das Industriegebiet hätte seinen Zenit überschritten, sagte Nägele.
Dabei braucht das Land doch endlich mal ein industriepolitisches Konzept. Die FDP-Fraktion hatte das beantragt und der UV-Nord hat zu unserem Antrag sehr klar Stellung bezogen: ‚Gerade dieses einzigartige Industriecluster bedarf einer künftig vermehrten Hinwendung, insbesondere was seine verkehrsinfrastrukturelle Erreichbarkeit anbetrifft.‘
Zur Erinnerung: Das größte Industriegebiet des Landes ist von Norden mittlerweile nur über eine Landesstraße zu erreichen, die komplett abgesackt ist und nur noch mit 30 km/h befahren werden darf.
Und überhaupt: Wie wollen Sie Unternehmen an der Westküste ansiedeln oder halten, wenn Sie die dringend benötigte Infrastruktur nicht anbieten können und wollen?
Die B5 als die zentrale Entwicklungsachse soll nur halbherzig ausgebaut werden. Von einem dreistreifigen Ausbau bis ins Industriegebiet Brunsbüttel hat sich die Landesregierung offenbar verabschiedet. Und auch nördlich von Heide geht es der Regierung nur um einige wenige Abschnitte. Es gibt keine Vision von einem mehrstreifigen Ausbau bis zur dänischen Grenze. Dabei muss endlich eine gemeinsame grenzüberschreitende Planung angegangen werden.
Antworten oder gar Perspektiven suchen wir – wie gesagt – in dem vorliegenden Bericht vergebens. Stattdessen Deskriptives über bestehende Förderprogramme, die mit EU-Geldern finanziert werden. Bravo! Sie sieht Ihr Einsatz für die Westküste aus.
Das Westküstenprogramm ITI zum Beispiel entpuppt sich schnell als reine PR-Nummer. Das Programm hält einem Faktencheck nicht stand. Denn Fakt ist: 30 Millionen Euro auf sechs Jahre und drei Kreise verteilt, macht gerade einmal im Schnitt 1,6 Millionen Euro pro Kreis und Jahr. Außerdem ist das Antrags- und Vergabeverfahren sehr umständlich. Überall an der Westküste werden momentan Projektskizzen erstellt und eingereicht. Die Regierung weckt durch ITI Erwartungen, die sie definitiv nicht einmal im Ansatz erfüllen kann.
Zur Ausschreibung der Marschenbahn möchte ich noch sagen, dass die Option für Brunsbüttel nicht nur ausgeschrieben, sondern anschließend auch berücksichtigt werden muss. Außerdem muss Glückstadt verbindlich von der Marschenbahn bedient werden. Und auch in Kellinghusen müssen die Versprechen endlich eingelöst werden.
Ich könnte noch weitere Themen – von den vernachlässigten Häfen, der drangsalierten Fischerei, den bürokratischen Auflagen für Unternehmen und die Landwirtschaft bis hin zum Tourismus und der Bäderregelung – aufzählen, aber dafür fehlt jetzt die Zeit.
Ich beantrage, den Bericht an den Wirtschaftsausschuss weiterzuleiten. Dann sollten wir Vertretern von der Westküste die Möglichkeit geben, sich schriftlich zu dem Bericht zu äußern. Daraus werden sich dann echte Handlungsempfehlungen und Perspektiven entwickeln lassen.
Im Fazit des Berichtes steht geschrieben: ‚Intensivierte regionale Zusammenarbeit und Austausch sowie innovativer Ideenwettbewerb sind die Antwort der Landesregierung auf die Freisetzung vorhandener Entwicklungspotentiale und die Öffnung neuer Perspektiven für die Westküste.‘
Wie gut die Zusammenarbeit zwischen Regierung und der Westküste ist, gerade im Hinblick auf innovative Projekte, zeigt sich aktuell eindrucksvoll am Beispiel der Neulandhalle. Die Kulturministerin Spoorendonk beerdigt das Projekt, indem sie die zugesagte Unterstützung zurückzieht. Sie tut das in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage. Und das, ohne den Eigentümer bzw. Projektpartner, die Kirche, vorher zu informieren. Der gesamte Vorgang ist wirklich erschütternd.
Es zeigt sich einmal mehr: Die Landesregierung hat keine Antworten, keine Perspektiven und sie bietet nichts Konkretes! Dabei hat die Westküste sehr große Potentiale – für den Tourismus, die Ernährungswirtschaft und auch für die Energiewirtschaft und die Industrie. Diese Potentiale müssen aber gestärkt werden. Das geht nicht, wenn die Landesregierung weiterhin Politik mit dem Rücken zur Westküste macht.
Die Regierung muss ihr westküstenpolitisches Trauerspiel endlich beenden.“