Wirtschaft/Tourismus

Oliver Kumbartzky: Wichtige Impulse für den Tourismus wurden von Minister Meyer verschlafen

„Ich freue mich, dass Sie meine Anregung aus meiner Landtagsrede vom 18. März 2015 aufgenommen und endlich eine Regierungserklärung zum Thema Tourismus gehalten haben.

 

Wohlgemerkt, meine Damen und Herren, es ist die erste Regierungserklärung von Minister Meyer – nach fünf Jahren Regierungszeit. Beachtlich ist zudem, dass der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein offenkundig die anderen Bereiche seines Ministeriums für weniger wichtig oder bedeutend empfindet, um Erklärungen zum Regierungshandeln abzuhalten. Das ist bemerkenswert und macht deutlich, welchen Stellenwert Gebiete wie zum Beispiel Arbeitsplätze und Verkehrsinfrastruktur innerhalb der Landesregierung genießen.

 

Kurzum: Der Tourismus hat es verdient und der Tourismus ist es wert! Es ist ein wichtiger, wachsender Wirtschaftszweig und zudem ein besonderer Imagefaktor für unser Land. Mit rund 7,9 Mrd. Euro Umsatz durch Übernachtungen und Tagesreisen sowie rund 151.000 Arbeitsplätzen spielt der Tourismus eine herausragende Rolle. Zusammen mit dem hochentwickelten Medizin- und Reha-Sektor in unserem Bundesland stellt der Tourismus eine Querschnittsfunktion dar, um neue Arbeitsplätze im Dienstleistungs- und Medizinsektor und weiteren Branchen in Schleswig-Holstein zu schaffen.

Schleswig-Holstein als Land zwischen den Meeren ist vom Tourismus geprägt. Die starken Marken sind die Nordsee und Ostsee – und nicht ‚der echte Norden‘.

 

Die FDP-Landtagsfraktion begrüßt die breit getragene und entwickelte Modernisierung der Tourismusstrategie. Die in der aktuellen Strategie verabredeten Ziele, bis zum Jahr 2025 30 Prozent mehr Umsatz im Tourismus zu erzielen, jährlich 30 Millionen Übernachtungen anzustreben und Schleswig-Holstein unter die Top 3 der beliebtesten Urlaubsziele Deutschlands zu bringen, werden von uns uneingeschränkt unterstützt. Es ist erfreulich, dass der Tourismus was die Erreichung dieser Ziele angeht auf einem sehr guten Weg ist. Wir begrüßen auch die Errichtung des Umsetzungsmanagement und die Schaffung des Tourismus-Clusters.

 

Auch das Vier-Ebenen-Modell (Landesmarketingorganisation TASH, regionale Tourismusmarketingorganisationen, lokale Tourismusorganisationen und einzelne Orte) des Tourismus in Schleswig Holstein erachten wir als zukunftsweisend. In den letzten Jahren ist viel über Tourismus-Strukturen debattiert worden – in den kommenden Jahren sollten unserer Meinung nach die Infrastruktur sowie die Qualität und Qualifizierung im Fokus stehen.

 

So viel zu den Gemeinsamkeiten. Aber schauen wir uns doch mal Ihr Regierungshandeln in den letzten fünf Jahren an.

 

Sie, Herr Minister Meyer, stellten in Ihrer Rede eben alles positiv dar, verschwiegen aber die Probleme, die maßgeblich Sie und die gesamte Landesregierung zu verantworten haben: das Sylter Bahnchaos, Wegducken bei der HVV-Erweiterung, Verschleppen des B5-Ausbaus, die Tatsache, dass die A20 nicht einen Meter weiter gebaut wurde, Bauverbotsstreifen an den Küsten durch die Novellierung des Naturschutzgesetzes, die neue Bäderregelung und die tourismusfeindliche Sommerferienregelung.


Lassen Sie mich auf einige der genannten Sichtworte genauer eingehen.


Zur Sommerferienregelung: Wir haben im Landtag am 20. Juni 2013 einstimmig einen FDP-Antrag beschlossen (Drucksache 18/808), mit dem wir uns für eine deutliche Entzerrung der Sommerferien aussprachen. Auch die Wirtschaftsministerkonferenz gab solch eine Stellungnahme in Richtung der Kultusministerkonferenz ab. Die Kultusministerkonferenz hat dann bekanntlich einige Wochen später anders entschieden. Und Sie, Minister Meyer, zeigten sich damals über die neue Regelung zufrieden, während der Deutsche Tourismusverband, dem Sie als Präsident vorstehen, enttäuscht reagierte und von ‚Schönfärberei‘ sprach. Mensch Meyer!


Zur Bäderregelung: Was waren das noch für laute Töne am Anfang der Legislaturperiode, dass die damals bestehende Bäderregelung Ihrer Meinung nach, Herr Meyer, richtig sei. Und dann sind Sie mit Pauken und Trompeten baden gegangen und haben die Tourismushochburgen im Stich gelassen.


Zum Bauverbotsstreifen an den Küsten: Seit der Novelle des Landesnaturschutzgesetzes 2016 muss auch innerorts ein Küstenschutzstreifen von 150 Metern von jeder Bebauung freigehalten werden. An Gewässern erster Ordnung sowie Seen und Teichen ab einer Größe von einem Hektar wird darüber hinaus erstmals eine Schutzzone von 50 Metern Breite eingeführt. Diese Gesetzesänderung ist ein massives Hemmnis für Hotels, für Cafés, Campingplätze und Stegbesetzer. Hier hat die Koalition der Tourismusstrategie des Landes einen Bärendienst erwiesen. Der echte Norden erhält ohne Not einen echten Wettbewerbsnachteil. Und Minister Meyer hat das Ganze – wie immer – achselzuckend hingenommen.


Zur Verkehrsinfrastruktur: Der Tourismusverband Schleswig-Holstein kommt Anfang 2016 in der Studie 'Mobilität und Tourismus in Schleswig-Holstein' zu folgendem Fazit:

 

‚Es darf nicht sein, dass der Tourismus sich nicht dynamisch entwickeln kann, weil Mallorca oder die Malediven leichter erreichbar sind als Schleswig-Holstein. Die Erreichbarkeit und damit die Infrastruktur eines Tourismusgebietes ist ein echter Standortfaktor und entscheidet immer öfter über Buchung oder Nichtbuchung. Für 42 Prozent der Urlaubsgäste in Schleswig-Holstein spielen Anreise und Erreichbarkeit eine besonders wichtige Rolle bei der Entscheidung für das Reiseziel, (…).‘

 

Auch, wenn ich weiß, dass die Regierungsbank und die regierungstragenden Fraktionen bei dem Wort Investitionen schon Schnappatmungen bekommen, zitiere ich weiter aus dem Fazit. Weiter heißt es dort:

 

‚Eine Investition in die Infrastruktur ist also eine Investition in die Zukunft Schleswig-Holsteins als Tourismusstandort.‘

 

Selbstverständlich schrecken Urlauber Staumeldungen vor und hinter dem Elbtunnel ab – die zum Teil überlastete A 1 wird im Sommer zum Bettenwechsel zu einer echten Geduldsprobe für die Urlauber – die wichtigste Ost-West-Verbindung, die für Entlastungen auf den Autobahnen des Landes sorgen kann - die A 20 - ist keinen Meter vorangekommen. Sieht so ein Glückswachstumsgebiet aus?

 

Gleiches gilt für die Westküste: Glück wächst definitiv nicht auf der B 5. Die B5 als die zentrale Entwicklungsachse soll nur halbherzig ausgebaut werden. Es gibt keine Vision von einem mehrspurigen Ausbau bis zur dänischen Grenze. Ist das tourismusfreundliche Politik? Wohl kaum.

 

Dass man als Tourist in Schleswig-Holstein auch abseits der Straße, nämlich auf der Schiene, wenig Glück finden kann, erleben die Sylt-Pendler tagtäglich. In beinahe prähistorischen Wagen werden die Menschen auf und von der Insel befördert – wohlgemerkt, wenn sie Glück haben und der Zug nicht überfüllt, oder überhaupt fährt. Nun frage ich Sie: Was passiert, wenn nun auch noch die Touristen hinzukommen, die Saison beginnt?


Ein anderes Beispiel: Die Ausweitung des HVV-Einzugsgebietes auf Schleswig-Holsteinische Gebiete wie den Kreis Steinburg hätte positive Auswirkungen beispielsweise für den Tagestourismus. Dass sich die regierungstragenden Fraktionen und Tourismusminister Meyer dieser Möglichkeit verschlossen haben, ist gelinde gesagt unglücklich und weist leider darauf hin, dass es Ihnen an dieser Stelle nicht nur an Fantasie, sondern auch zukunftsweisende Perspektive für den Tourismus in Schleswig-Holstein mangelt.


Das Image des echten Nordens darf nicht von echten Schlaglochpisten und virtuellen, sprich nicht weiter gebauten, Autobahnen geprägt sein! Der Investitionsstau muss endlich aufgelöst und die personellen Planungskapazitäten im Land endlich aufgebaut werden.


Das Land braucht ein verkehrspolitisches Gesamtkonzept, das Megatrends wie die Digitalisierung und die Elektromobilität stärker berücksichtigt, aber auch die Verknüpfung von Verkehrsmitteln und -wegen ­ auch unter touristischen Gesichtspunkten ­ voranbringt.


Unterm Strich fasse ich zusammen: Der Stellenwert des Tourismus in der Landesregierung muss sichtbar erhöht werden. Die Nennung des Wortes Tourismus im Titel des Wirtschaftsministeriums in der neuen Legislaturperiode wäre da der erste Schritt. Dann muss die ressortübergreifende Zusammenarbeit in der Landesregierung optimiert werden. Zudem ist der Etat für das Tourismusmarketing deutlich aufzustocken. Die Marketingförderung der touristischen Marketingorganisationen (TMOs) muss erhalten werden. Touristische Aspekte sollten zukünftig bei der Gesetzgebung in der Landesplanung, im Küstenschutz und bei der Planung von Anlagen der Erneuerbaren Energien vollwertig einbezogen werden. Außerdem sind die natürlichen Grundlagen des Tourismus zu sichern.

 

Minister Meyer hat die letzten fünf Jahre tourismuspolitisch in einem Dornröschenschlaf im Schlafstrandkorb verbracht – es erschien aber keine Prinzessin, um den schlafenden Minister zu wecken, sondern der Tourismusverband Schleswig-Holstein. Dieser hatte genug vom dauerschlafenden Minister und forderte im Dezember 2016 kurzerhand einen Tourismusbeauftragten für das Land.

 

Echte Anerkennung und Lob für gute Arbeit sieht anders aus. Für ein Lob für die unglücklich agierende Landesregierung gibt es auch schlicht keinen Grund.“