In seiner Rede zu TOP 27+38+42+43+44+48 (Anträge zu Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf Wirtschaft, Landwirtschaft und Energie in Schleswig-Holstein) erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer und energie- und agrarpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Oliver Kumbartzky:
„Die Frage der Energiesicherheit sowie der Ernährungssicherheit wird uns durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine deutlicher als zuvor vor Augen geführt. Ich will es ganz klar sagen: Wir dürfen uns keiner Möglichkeit verwehren, wenn wir die Energie- und Lebensmittelversorgung der Menschen im Land sicherstellen wollen. Es geht um pragmatisches Handeln und neues Denken.
Es ist wirklich gut, dass beim Thema LNG-Terminal eine ganz neue Dynamik reingekommen ist. Die Bundes- und die Landesregierung haben hier zusammen mit der Privatwirtschaft jüngst eine dringend nötige Weichenstellung vorgenommen. Das ist gut für den Industriestandort Brunsbüttel und für die Versorgungssicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Dass sich die Bundesregierung über die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit einer 50-prozentigen Einlage am LNG-Terminal beteiligen will, zeugt von Entschlossenheit und ist zudem auch ein Vertrauensbeweis in den Standort Brunsbüttel und die dort handelnden Akteure. Brunsbüttel ist ein idealer Standort für eine Energie-Import-Infrastruktur. Dies gilt für LNG, aber auch für Wasserstoff oder andere verflüssigte Energieträger, die auch aus regenerativer Energie gewonnen werden. Jetzt kann und muss es schnell gehen. Als weiterer Schritt dafür sollte nun das Planfeststellungsverfahren beschleunigt und auf eine Klageinstanz reduziert werden, damit der Bau des LNG-Terminals nicht über viele Jahre verzögert werden kann. Denn Verzögerungen können wir uns nicht leisten.
Auch vor dem Hintergrund der sehr erfreulichen und sensationell guten Ansiedlungen in Heide ist neben der Planungsbeschleunigung auch der Ausbau der Infrastruktur vonnöten. Die A20 muss weitergebaut, die B5 ausgebaut und die Marschenbahn elektrifiziert werden. Danke an dieser Stelle an Minister Buchholz dafür, dass das Land die Planungen für die Marschbahnelektrifizierung zunächst selbst in die Hand nimmt.
Auch bei der Stromerzeugung ist schnelles Handeln vonnöten. Selbstverständlich müssen die Erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Sie sind die Freiheitsenergien schlechthin und gerade Schleswig-Holstein spielt hier eine wichtige Rolle, und zwar On- und Offshore. Wir brauchen ein standorttreues Repowering an Land und deutlich mehr Offshore-Anlagen. Aber auch über die Kernenergie muss gesprochen werden. Eine temporäre Aussetzung des Atomausstiegs sollte ernsthaft geprüft werden. Das betrifft zum einen die noch laufenden Kernkraftwerke, aber auch die erst vor wenigen Wochen vom Netz gegangenen Meiler, wie beispielsweise Brokdorf. Auch hier darf es keine Denkverbote und Tabus geben.
Wir haben in Schleswig-Holstein nicht nur Erneuerbare Energien, sondern auch heimisches Erdöl. Die FDP-Landtagsfraktion steht zur Erdölförderung vor der Dithmarscher Küste. Einer Diskussion darüber, die hiesige Erdölförderung zu stärken und auszuweiten, stehen wir sehr offen gegenüber. Ein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung für zusätzliche, bekannte Reserven südlich des bisher bewilligten Fördergebietes wurde vom Mittelplate-Betreiber bereits gestellt. Diese Bewilligung würde dem Betreiber erlauben, diesen relativ kleinen südlichen Bereich in rund 2.000 bis 3.000 Meter Tiefe mit Bohrungen zu erschließen. Voraussichtlich könnten so zusätzlich bis zu zwei Millionen Tonnen Öl gefördert werden. Die Mittelplate gewährleistet seit Jahrzehnten zuverlässigen Umweltschutz und arbeitet seit Förderbeginn nachweisbar störungsfrei. Eine Förderung der bekannten zusätzlichen Mengen wäre sicher und umweltverträglich von der bewährten Insel Mittelplate möglich. Ich werbe für Zustimmung zu unserem Antrag (Drucksacke 19/3741).
Zur Landwirtschaft: Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wirkt sich auch unmittelbar auf die globalen Agrarmärkte aus, die im Zuge dessen enormen Verwerfungen ausgesetzt sind. Schließlich sind die Ukraine und Russland bedeutende Akteure auf dem internationalen Agrarmarkt. Zwar ist die Versorgungslage in der EU nicht direkt gefährdet, jedoch sind die Folgen für die globale Ernährungssicherheit im Zuge steigender Weltmarktpreise absehbar. Ein Stillstand des Getreidehandels in der Schwarzmeerregion trifft absehbar und im besonderen Maße die großen Importregionen der Welt und somit viele der ärmsten Länder, beispielsweise in Nordafrika. Kurzfristig muss der Anbau in der EU deutlich ausgeweitet werden. Die Herausnahme weiterer Flächen aus der landwirtschaftlichen Produktion oder die Absicht, den Anteil ökologischer Landwirtschaft auszuweiten, bedeuten weitere Produktionseinbußen und eine Verknappung der Menge auf den Märkten. Das muss also ausgesetzt werden. Uns Europäern als hochentwickelte Industrienationen obliegt vor dem Hintergrund drohender Engpässe in Entwicklungs- und Schwellenländern eine besondere ethische Verantwortung.
Die Produktion in den Mittelpunkt zu rücken, ist aktuell wichtiger denn je. Auch die Freigabe der ökologischen Vorrangflächen zum Anbau ist deshalb richtig. Hier muss es jetzt zügig Rechtssicherheit geben. Auch wir als Land können etwas tun. Wir brauchen ein Auflagenmoratorium für die hiesige Landwirtschaft. Und auch das Vorkaufsrecht für den Naturschutz sollte zügig abgeschafft werden. Einige NGOs haben die Debatte um ‚Teller oder Trog‘ aufgemacht. Die Kausalität klingt einfach: Das Futter, das die Tiere fressen, könnten wir für die menschliche Ernährung direkt nutzen, und schon hätten wir kein Versorgungsproblem mehr. Das ergibt allerdings aus mehreren Gründen wenig Sinn. Nicht überall, wo Heu oder Futtergetreide angebaut werden kann, kann auch Brotgetreide angebaut werden. Selbst wenn diese schlechteren Böden intensiver bewirtschaftet würden, könnten sie dennoch nicht dieselben Erträge erbringen wie gute Böden. Im Sinne einer optimalen Bodenfruchtbarkeit empfiehlt sich außerdem die Fruchtfolge, also der aufeinander folgende Anbau verschiedener Kulturen auf einer Fläche – übrigens sowohl im konventionellen wie auch im ökologischen Landbau.
Weniger Tierhaltung würde außerdem auch weniger Gülle produzieren. Doch Gülle ist ein wertvoller organischer Dünger. Man müsste, um sie zu ersetzen, mehr Mineraldünger einsetzen. Der ist ebenfalls knapp und seine Produktion setzt Treibhausgase frei. Kann man vor diesem Hintergrund wirklich Trog und Teller gegeneinander denken? Vernünftiger erscheint es mir, beides zusammen zu denken. Um die jetzige Knappheit zu minimieren, wird und muss die EU Maßnahmen ergreifen. Manche wurden bereits eingeleitet. So sollen Teile des ‚Green Deals‘ in diesem Jahr flexibilisiert werden, um die Nahrungsmittelproduktion zu steigern.
Europa als Industrie-, Landtechnik- und Biotechnologie-Standort kann einen enormen Beitrag zur globalen landwirtschaftlichen Produktivitätssteigerung bei gleichzeitig nachhaltiger Produktion leisten. Durch neue Züchtungstechnologien etwa können Pflanzen zielgerichteter und vor allem schneller an veränderte Bedingungen angepasst werden. So können schneller als bei der konventionellen Züchtung neue, effizientere Sorten bereitgestellt werden, die durch verbesserte Eigenschaften zudem mit weniger Pflanzenschutz und Düngemitteln auskommen und somit eine ressourcenschonendere Produktion ermöglichen.
Die Entwicklung und Zulassung neuer, besserer und zielgenauerer Pflanzenschutzmittel ist zudem ein wichtiger Baustein, um Ernten zu sichern und die Umwelt und Kulturvielfalt im Anbau zu schützen – nicht nur hierzulande, sondern vor allem auch in Entwicklungs- und Schwellenländern, deren Agrarproduktion derzeit noch weniger effizient und nachhaltig ist. Daher müssen neue, verbesserte Wirkstoffe und Mittel durch einen innovationsfreundlichen Rahmen auf EU- und nationaler Ebene nach wissenschaftlichen Kriterien zugelassen und angewendet werden können.
Zusammengefasst möchte ich feststellen, dass die Ernährungssicherheit neben dem Biodiversitätsschutz und der Stärkung des ländlichen Raumes ein fester Bestandteil der Agrarpolitik auf allen Ebenen werden muss."
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort