Oliver Kumbartzky zu TOP 38 „Sorgen der Landwirtschaft ernst nehmen“

der Parlamentarische Geschäftsführer und agrarpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Oliver Kumbartzky

In seiner Rede zu TOP 38 (Sorgen der Landwirtschaft ernst nehmen – Wildgänse in Schleswig-Holstein auf erträglichen Bestand reduzieren) erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer und agrarpolitische Sprecher der FDPLandtagsfraktion, Oliver Kumbartzky:
 
„Dauerproblem Gänsefraß. So wie die Zugvögel jedes Jahr wiederkommen, beschäftigt sich auch der Landtag immer wieder mit den Schäden, die auf unseren Flächen hinterlassen werden.  
 
Heute nun springt der AfD-Abgeordnete Volker Schnurrbusch auf das Thema auf, ohne aber etwas Wesentliches zur Lösung der Problematik beizutragen. Im Antrag des AfD-Abgeordneten finden sich keine konstruktiven Punkte. Eine Lösung der Gänsefraßproblematik bietet er nicht an. Wir lehnen den Antrag daher ab.
 
Die Interessen des Artenschutzes und der Landwirtschaft müssen zu einem Ausgleich gebracht werden. Viele Tierarten – auch die Nonnengans – sind durch die EU-Artenschutzregeln streng geschützt. Bedrohte Arten müssen auch geschützt werden, daran besteht in diesem Hause, denke ich, kein Zweifel. Man muss aber auch beachten, was passiert, wenn die Zahl der Gänse immer weiter zunimmt.
 
Schleswig-Holstein ist Drehscheibe und Rastplatz für den internationalen Gänsezug. Auf der Durchreise fressen sich die Gänse auf den Feldern in Schleswig-Holstein fett, trampeln den Boden kaputt und koten ihn voll. Spezialisierte Gemüsebauern können dadurch schwer betroffen sein, wenn ihre relativ kleinen Flächen von Gänsen besucht werden. Aber auch weitläufige Grünlandstandorte müssen mit großen Einbußen besonders beim ersten Schnitt umgehen. Die Interessen des Artenschutzes und die der Landwirtschaft stehen hier gegeneinander. Das Konfliktpotential zwischen Arten schutz und Landwirtschaft ist erkannt. Dass die Bundesregierung sich des Themas stärker annehmen sollte, liegt auf der Hand – das gilt übrigens auch für das Thema Wolf.  
 
Bei Zugvögeln handelt es sich naturgemäß um ein internationales Problem. Eingriffe nur in Schleswig-Holstein zu fordern, das bringt nicht viel. Trotzdem sollten wir prüfen, ob wir unsere Jagdzeitenverordnung für Gänse nicht rechtskonform anpassen könnten, um den Landwirten vor Ort etwas an die Hand zu geben. Der Hase liegt aber woanders im Pfeffer. Was wirklich helfen würde, das wäre eine Neufassung der Artenschutzlisten und der Artenschutzinstrumente auf EU-Ebene. Jetzt ist es so, dass jedes Tier, das auf den EU-Artenschutzlisten steht, mit klaren Vorgaben geschützt wird – und zwar prinzipiell für immer, egal wie sich die Population der Art entwickelt.  
 
Es ist prinzipiell gut und richtig so, dass wir strenge Artenschutzlisten haben. Vom Aussterben bedrohte Arten müssen geschützt werden. Daran besteht gar kein Zweifel. Die Artenschutzlisten sind allerdings starr, es fehlt eine Möglichkeit zur dynamischen Anpassung der Liste an die tatsächliche Populationsentwicklung. Die Bestände haben sich deutlich erhöht. Wir merken es bei den Nonnengänsen. Und auch dem Wolf. Von Artenrückgang kann da keine Rede sein. Der Druck auf den ländlichen Raum erhöht sich. Auf EU-Ebene gibt es aber derzeit keinen dynamischen Mechanismus im Artenschutz, der so ein Monitoring und eine Bewertung der Populationsentwicklung mit einer Anpassung der Artenschutzlisten verknüpft. Wir sprechen uns für ein Monitoring auf EU-Ebene und einen dynamischen Mechanismus zur Anpassung der Artenschutzlisten aus. Da muss die EUKommission ran.  
 
Zusammenfassend stelle ich fest: Die Schäden bis hin zum Totalausfall auf Acker- und Weideflächen sind nicht hinnehmbar. Der wirtschaftliche Fortbestand der betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe darf nicht in Frage gestellt werden. Dafür bedarf es Maßnahmen: Ran an die Artenschutzlisten und hin zu einem wirksamen Bestandsmanagement und damit einer räumlich und zeitlich erweiterten Bejagung. Auch wirksame, volle Entschädigungsregelungen sind wichtig – wobei die Schadensvermeidung Vorrang haben sollte.
 
Wir werden uns am 11. November 2020 im Umwelt- und Agrarausschuss intensiv mit dem Thema Gänsemonitoring befassen.“