In seiner Rede zu TOP 43 (Strategiebericht "Klimaneutrales Industrieland") erklärt der klimaschutzpolitische Sprecher und Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, Oliver Kumbartzky:
„Wir hatten der schwarz-grünen Koalition in den letzten anderthalb Jahren immer wieder vorgeworfen, dass ihr erklärtes Ziel, bis zum Jahr 2040 zum ersten klimaneutralen Industrieland werden zu wollen, vor allem ein PR-Slogan sei, der nicht ausreichend mit Maßnahmen hinterlegt sei.
Als sehr konstruktive und selbstkritische Fraktion haben wir dann irgendwann gedacht: Vielleicht sind wir ja auch einfach zu misstrauisch und fragen mal konkreter nach. Heute muss ich für uns einräumen: Wir haben uns da ein Stück weit getäuscht. Es ist in Wahrheit… alles noch viel schlimmer als wir dachten. Wir hatten sie sogar noch überschätzt. Sie sind bei diesem zentralen Thema ihrer Koalition wirklich völlig blank – das ist das klare und erschreckende Ergebnis Ihres Strategieberichts!
Wenn Schwarz-Grün in dieser Form weitermacht, wird Schleswig-Holstein im Jahr 2040 ganz sicher weder klimaneutral, noch Industrieland sein! Dass Sie uns hier heute eine solch dünne Soße aufgetischt haben, kann nicht daran liegen, dass unser Berichtswunsch irgendwie unklar gewesen wäre. In unserem Antrag heißt es: ‚In dem Bericht soll neben der klaren Definition des Ziels anhand von Kennzahlen auch die zugrundeliegende Strategie dargestellt werden, wobei im Einzelnen dazu berichtet werden soll, welche Maßnahmen bereits ergriffen wurden, welche sich aktuell konkret in Umsetzung oder Planung befinden und welche darüber hinaus jeweils in welchem Zeitrahmen vorgesehen sind. Gleichzeitig sind die vorgesehenen finanziell und personell einzusetzenden Ressourcen darzulegen.‘
Also: Was genau möchte die Koalition eigentlich erreichen? Was sind die konkreten Ziele und anhand welcher Kriterien macht sie das Erreichen fest? Welche konkreten Maßnahmen sollen auf dem Weg zum Erreichen der eigenen Ziele umgesetzt werden und wie sollen diese rechtlich, personell und finanziell hinterlegt werden? Diese Fragen stellt sich ja nicht nur der FDP-Fraktion. Diese Fragen stellen auch immer mehr Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen und deshalb hatten wir diesen schriftlichen Strategiebericht beantragt.
Laut einer aktuellen Umfrage glaubt die Mehrheit der Menschen in Schleswig-Holstein eh nicht an Ihren Slogan vom klimaneutralen Industrieland bis 2040. Nach diesem Bericht auch völlig zu Recht. Der Bericht erfüllt nicht einmal die geringsten Erwartungen. Diese sieben Seiten sind ein Offenbarungseid. Von einer Strategie ist nicht einmal ansatzweise etwas zu erkennen. Bereits im ersten Absatz gibt die Landesregierung zu, dass bisher überhaupt nicht festgelegt ist, welches Ziel erreicht werden soll. Eine Definition soll erst die Novelle des Energiewende- und Klimaschutzgesetzes liefern. Es folgt eine Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen mit einem Informationsgehalt von nahezu null.
Beim Thema Treibhausgasneutralität geben Sie sich zwar noch vergleichsweise Mühe, sehr allgemeine Klimaschutzmaßnahmen aneinanderzureihen. Strategischen Fragen wie zum möglichen Einsatz von CCS unter dem Meer weichen Sie komplett aus – dabei käme es bei einer tragfähigen Strategie gerade auf solche Themen an. Vielleicht ändert sich das ja jetzt, wo die Grünen ihre bisherige Position komplett geändert haben.
Beim Thema Industrieland offenbaren Sie dann ein besorgniserregendes Desinteresse: Ich bin zwar mit Blick auf das bisherige Regierungshandeln schon halbwegs erleichtert, dass Sie bestehende Wertschöpfung im Land halten wollen. Aber was genau wollen Sie denn darüber hinaus machen, um mehr Industrie ins Land zu holen? Sie weisen viel zu wenig Flächen aus, betreiben keine wahrnehmbare Akquise und kürzen jetzt sogar bei der Wirtschaftsförderung. Den Landeszuschuss für die Northvolt-Ansiedlung finanzieren Sie leider in verfassungsrechtlich äußerst zweifelhafter Form. Und ich fürchte, dass Sie nach der jetzt vorliegenden Entscheidung Northvolts, tatsächlich nach Heide zu kommen, bequem die Hände in den Schoß legen und ihren Job als erledigt sehen.
Welche Indikatoren legen Sie Ihrer Zielsetzung zugrunde? Welche Ressourcen sind Sie bereit, dafür einzusetzen? Wie wollen Sie Ihren Erfolg messen? Das industriepolitische Papier und die Ansiedlungsstrategie aus Zeiten der Jamaika-Koalition machen konkrete Vorschläge und definieren konkrete Handlungsfelder. Wie wollen Sie dies mit Ihrem neuen Ziel verknüpfen und wie wollen Sie in die Umsetzung kommen? Welche Bedarfe gibt es beim Thema Infrastrukturausbau, um Schleswig-Holstein zum Industrieland zu machen? Welche Rolle spielen die Themen Kita, Schule und Wohnraum? Wo bleiben Ihre vorausschauenden Lösungen beim Thema Flächenbedarf? Wieso gibt es in diesem Bericht keinen einzigen wirtschaftspolitischen Impuls? Durfte das Wirtschaftsministerium in der Kabinettsbefassung nicht mitzeichnen? Oder hat es Sie nicht interessiert, Herr Minister Madsen? Ich weiß nicht, was für unser Land schlimmer ist.
Dieser absurde Bericht ist leider sinnbildlich für das Regierungshandeln von Schwarz-Grün: Reden und Handeln passen überhaupt nicht zusammen. Damit verspielen Sie die Zukunftschancen unseres Bundeslandes. Ihr Nichtstun wird sich in der Zukunft rächen. Ich rate Ihnen daher dringend – auch im eigenen Interesse – den vorgelegten Bericht noch einmal umfassend zu überarbeiten und dem Parlament eine aktualisierte Fassung vorzulegen, die den Titel ‚Strategiebericht‘ auch tatsächlich verdient. Denn Schleswig-Holstein hat wirklich Besseres verdient und Sie sollten nicht weiter versuchen, den Menschen hier Sand in die Augen zu streuen!"
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.