Innen/Polizei

Wolfgang Kubicki: Den Polizisten und Einsatzkräften hilft nicht Aktionismus, sondern echte Fürsorge

„Selbstverständlich ist es nicht hinnehmbar, wenn Polizei- und Einsatzkräfte im Dienst tätlich angegriffen werden. Die körperliche Unversehrtheit unser Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten muss vom Gesetzgeber unmissverständlich geschützt werden.

 

Was er aber auch tut. Die Tatbestände, die unter Strafe gestellt werden sollen, sind bereits jetzt im Strafgesetzbuch geregelt. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung sind schon nach derzeitiger Rechtslage strafbar. Eine Strafbarkeitslücke gibt es also nicht.

 

Durch den geplanten Tatbestand sollen tätliche Angriffe jetzt aber nicht nur im Rahmen einer Vollstreckungshandlung, sondern schon gegenüber Polizeibeamten, die sich lediglich im Dienst befinden, bestraft werden.

 

Ein tätlicher Angriff ist eine unmittelbar auf den Körper zielende gewaltsame Einwirkung. Zu einer Körperverletzung muss es nicht kommen; eine solche braucht auch nicht gewollt zu sein. Es ist nicht einmal eine Körperberührung erforderlich (!).

 

Die Gesetzesänderung würde damit zu einer erheblichen Ausweitung des Strafbarkeitsbereichs führen.

 

Ausreichend wäre nämlich schon ein nur angedeuteter Rempler gegen einen Polizisten.

 

Sogar der Zusammenstoß einer Demonstrantenkette mit der Polizei wäre strafbewährt – unabhängig davon, ob ein Polizist verletzt wird. In Hinblick auf die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit ist dies nicht unproblematisch.

 

Trotzdem sollen solche tätlichen Angriffe fortan gleich mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden. Die Erfüllung eines Regelbeispiels soll sogar mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.

 

Der Strafrahmen ist damit weiter als bei der einfachen und qualifizierten Körperverletzung. Eine Handlung, deren Voraussetzungen unter denen einer Körperverletzung liegen, soll demnach schärfer bestraft werden als eine Körperverletzung selbst.

 

Während der Schlag ins Gesicht eines Menschen ohne öffentliche Funktion (jedenfalls bei Ersttätern) in der Regel mit einer Geldstrafe belegt wird, soll das bloße Ausholen zum Schlag gegen einen Polizeibeamten mit einer Freiheitsstrafe nicht unter sechs Monaten bestraft werden.

 

Auch das Anrempeln eines Polizisten bei einer Demonstration führt zwingend zu einer kurzen Freiheitsstrafe, auch wenn eine solche als spezialpräventiv ungünstig angesehen wird. Das vorgesehene Mindestmaß von sechs Monaten Freiheitsstrafe führt nämlich dazu, dass die vom Strafrecht in diesen Fällen eigentlich gemäß § 47 StGB vorgesehene Umwandlung in eine Geldstrafe nicht mehr im Betracht kommt.

 

Ein tätlicher Angriff wird selbst im Abnehmen von Gürtel oder Hosenträgern gesehen. Hier kann eine Gefängnisstrafe als eigentlich letztes Sanktionsmittel doch nicht aufgrund der Schwere der Tat unerlässlich sein.

 

Der vorgesehene Tatbestand läuft nicht nur dem Zweck von Strafe völlig zuwider, er ist auch noch sinnlos, weil eine Straferhöhung überhaupt nicht zu einem besseren Schutz der Polizisten und Einsatzkräfte führt.

 

So steht im Sicherheitsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2006:

 

‚Bislang wurden [...] keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass eine Verschärfung des Strafrechts das Normbewusstsein positiv beeinflussen würde. [...] Wenn es eine Tendenz gibt, dann die, dass nach härteren Sanktionen die Rückfallrate bei vergleichbaren Tat- und Tätergruppen höher ist.‘

 

Einerseits sendet der Straftatbestand also kein klares Signal an potentielle Straftäter, da die Abschreckungswirkung höherer Strafen gleich null ist.

 

Zum anderen geht er auch noch an den tatsächlichen Bedürfnissen der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vorbei.

 

Was den Polizisten und Einsatzkräften hilft, ist nämlich nicht purer Aktionismus, sondern echte Fürsorge: Der Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen und der dringend benötigten Abbau der immer weiter zunehmenden Arbeitsverdichtung, um so den Gesundheitsgefahren durch die hohe Arbeitsbelastung nachhaltig entgegenzuwirken. Das ist es, was die Beamtinnen und Beamten wirklich brauchen. Dafür steht die FDP – und nicht für reine Symbolpolitik, die ins Leere geht.“