„Der Haushalt 2016 ist gekennzeichnet durch Beständigkeit. Beständigkeit kann bisweilen etwas Gutes sein, zeugt es doch von Kontinuität und Verlässlichkeit.
Diese Landesregierung verschiebt verlässlich Probleme und Verantwortung auf andere. Ihr Vorgehen ist so verlässlich, dass uns beinahe nichts mehr überraschen sollte – wären da nicht die Haushaltsrisiken, auf die ich in meiner Rede gesondert eingehen möchte.
Wenn man dieser Landesregierung zuhört, könnte man meinen, dass alles bestens läuft. Beständig bemühe sich die Landesregierung, alles zum Wohle des Landes zu tun. Ob es nun um gute Schulen und gute Lehrer oder um eine tolle Infrastruktur geht, die Landesregierung sieht sich ganz weit vorn.
Ich teile die Auffassung der Landesregierung ausdrücklich nicht und werde es auch begründen.
Die Bürgerinnen und Bürger, die Touristen und auch nur die Durchreisenden werden in Zukunft mehr Zeit haben, sich der schönen Landschaft Schleswig-Holstein zu erfreuen.
Wieso? Ganz einfach, unsere Straßen sind so marode, dass, wenn es nicht ohnehin zu Straßensperrungen kommt, die Geschwindigkeit an die Straßenverhältnisse angepasst werden müssen. Das heißt modern: Entschleunigung.
Ministerpräsident Torsten Albig orakelte in seiner ersten Regierungserklärung im Juni 2012 damals zur Infrastruktur:
‚Moderne Infrastruktur ist auch, aber nicht nur Asphalt und Beton. Wissen, Einfallsreichtum und Kreativität sind die wichtigsten Ressourcen unseres Landes.‘
Ich würde gern wissen, wie Sie, verehrter Ministerpräsident, auf Wissen, Einfallsreichtum und Kreativität von A nach B kommen. In diesem Fall kann ich nur für mich sprechen, ich brauche noch immer funktionierende Straßen.
Wenn man sich nun bemüht, die damalige Aussage des Ministerpräsidenten auf das Jetzt und Heute zu übertragen, gelangt man zu einem erstaunlichen Ergebnis.
Lassen Sie mich etwas zunächst einige Fakten aufzählen:
- 1.160 km des Landesstraßennetzes sind dringend sanierungsbedürftig;
- 90 Millionen Euro pro Jahr sind erforderlich, um den Erhaltungsstau bei den Landesstraßen abzubauen;
- Insgesamt, so steht es zumindest in dem Infrastrukturbericht, beläuft sich der Mittelbedarf im Zeitraum 2015 – 2024 bei den Verkehrssystemen auf 1,6 Milliarden Euro – Achtung: davon 1,1 Milliarden Euro mit ungeklärter Finanzierung.
Wie geht es nun weiter? Die Zahlen, die hinter dem Infrastrukturbericht stehen, scheinen selbst der Regierung nicht geheuer. Bis jetzt konnte die Landesregierung zum Beispiel nicht darlegen, welche Infrastrukturmaßnahmen in welcher Höhe sich bei den Landesstraßen oder dem Breitbandausbau verbergen.
Der ganze Bericht scheint auf derartig wackligen Füßen zu stehen, dass sich die angekündigte Priorisierung der Infrastrukturprojekte um mindestens ein halbes Jahr verzögern wird.
Für den Fall, dass Sie irgendwann dann doch noch zu einem Ergebnis gelangen, greift das sensationelle Programm namens IMPULS 2030.
Ich vermute, dass der Namensgeber etwas Kraftvolles damit zum Ausdruck bringen wollte, das uns möglicherweise 2030 widerfahren wird.
Wenngleich das Programm einen recht kraftvollen Namen trägt, verbirgt sich dahinter doch eher etwas Kraftloses.
Denn die Landesregierung hat für sich feststellen müssen, dass vielleicht einiges oder sehr vieles an dem Infrastrukturbericht – womöglich der Zeit- und Finanzierungsrahmen - sehr ambitioniert war. Kurzerhand entschloss man sich, den Finanzierungszeitraum zu verlängern.
Kraftvoll kam man auch zu dem Schluss, dass es besser sei, mit den großen Finanzierungsblöcken erst irgendwann ab 2018 oder später zu beginnen.
Ein weiteres Beispiel dafür, was die Landesregierung ebenfalls nicht schafft, ist eine anständige Investitionsquote. Es mutet beinahe so an, als ob sich die Landesregierung mit Händen und Füßen dagegen wehrt, die Investitionsquote auf ein adäquates Niveau anzuheben.
Dass sich die Landesregierung bei Rekordsteuereinnahmen und dem Wissen um die Infrastruktur eine Investitionsquote von unter sieben Prozent, auf längere Sicht sogar unter sechs Prozent, leistet, ist bemerkenswert.
Wer sich als Haushälter stolz vor eine derartig niedrige Investitionsquote stellt, wer betonen muss, man investiere in Köpfe und nicht in Beton, der hat bisher wenig verstanden.
Weniger soll es nach den Grünen gehen, die wollen Schleswig-Holstein den kommenden Bürgerinnen und Bürgern ohnehin nur als ein großes Radwegenetz hinterlassen. Ich sehe eine Zukunft auch für Vehikel mit mehr als zwei Rädern in Schleswig-Holstein.
Einerseits hat die Landesregierung keinerlei Skrupel, eine historisch niedrige Investitionsquote vorzulegen und andererseits gibt sie sich beinahe weltmeisterlich in Sachen Ausgaben.
Lassen Sie mich ein eklatantes Beispiel für den Sparwillen dieser Landesregierung aufführen.
Meine Fraktion hat vor einiger Zeit einen Gesetzentwurf eingebracht, der ein Prüfungsrecht des Landesrechnungshofes bei der Eingliederungshilfe vorsah. Einer der größten Haushaltstitel – Titelgruppe 65 – Sozialgesetzliche Leistungen, zu finden im Einzelplan 10, ist eine riesige haushalterische Black Box.
Warum riesige Blackbox? Es geht um 707,5 Millionen Euro für das nächste Jahr. 707,5 Millionen Euro, von denen wir nicht wissen, wie sich die Kosten im Einzelnen zusammensetzen.
Wir reden von Steigerungen dieser Haushaltsansätze von fast drei Prozent im Jahr – völlig intransparent und völlig unkontrolliert. In Anbetracht dessen, worüber wir in den Haushaltsberatungen im Ausschuss später diskutieren und der Höhe der späteren Änderungsvorschläge, ist dieser Betrag mehr als bemerkenswert.
Ich möchte in Erinnerung rufen, dass sich die regierungstragenden Fraktionen unter Führung der Sozialdemokraten gegen die Transparenz und gegen die Kostenkontrolle in dieser Titelgruppe ausgesprochen haben. Sie haben unseren Gesetzentwurf abgelehnt und gleichwohl damit unter Beweis gestellt, welchen Stellenwert die Reduzierung von Ausgaben in Ihrer Haushaltspolitik tatsächlich hat – nämlich gar keinen.
Wie sorgsam die Landesregierung mit der haushaltspolitischen Zukunft des Landes umgeht, wurde eindrucksvoll vom Landesrechnungshof in dessen Bemerkungen 2015 beschrieben. Dort heißt es:
‚Insgesamt liegen die geplanten Nettoausgaben 2015 um 20 % über dem Niveau von 2008. Bisher sind die Ausgabensteigerungen in Schleswig-Holstein zudem überdurchschnittlich im Vergleich zu anderen Bundesländern. Besonders groß sind die Unterschiede zu anderen Konsolidierungsländern.‘
Nun hat Staatssekretär Dr. Nimmermann in einem Gastbeitrag in Schleswig-Holstein am Sonntag am 6. September zum Thema Ausgabensteigerung Stellung bezogen. Er schreibt:
‚Die Kritiker halten dagegen, die notwendige Haushaltskonsolidierung erlaube im Prinzip überhaupt keine Erhöhung der Ausgaben. Sie übersehen dabei, dass in einer wachsenden Wirtschaft der Haushalt auch konsolidiert werden kann, wenn das Ausgabewachstum unterhalb des Einnahmewachstums liegt.‘
Das Argument des Landesrechnungshofes ist doch nicht von der Hand zu weisen. Es geht nicht alleinig um die Ausgabensteigerung, sondern um die Höhe der Steigerung. Man möchte glauben, dass sich Schleswig-Holstein als Konsolidierungsland, dem Sparen – einer moderaten Ausgabensteigerung – verschrieben hat. Dem ist leider mitnichten so.
Die FDP-Fraktion weiß, wie wichtig es ist, gerade in wirtschaftlich guten Zeiten mit hohen Steuereinnahmen, für Wirtschaftswachstum in diesem Land Schwung zu holen. Wir wissen darum, was jetzt wichtig ist für das Land und das werden wir mit unseren Haushaltsanträgen auch dokumentieren.
Die Landesregierung hat dagegen eine andere Ausgabepolitik – sie vollführt ein regelrechtes Kunststück. Sie gibt eine Menge Geld aus – mehr denn je – schafft es aber dennoch, weniger zu investieren! Das muss Ihnen erst einmal jemand nachmachen.
Bitte erklären Sie doch den Bürgerinnen und Bürgern, warum unsere Straßen, unsere Brücken und unsere Schulgebäude weiter verfallen.
Ich helfe Ihnen dabei. Sie geben im Haushaltsjahr 2016 unter anderem 200.000 Euro für die zweisprachige wegweisende Beschilderung in Nordfriesland aus.
Ein weiteres Beispiel aus dem Haushaltsentwurf 2016, der den Sparwillen oder besser gesagt den Ausgabewillen der Landesregierung bestens zum Ausdruck bringt:
Der sagenhafte Anstieg des Haushaltstitels ‚Repräsentationsmittel‘ im Einzelplan 3 – Ministerpräsident, Staatskanzlei – um 65 Prozent im Vergleich zum Ansatz 2013.
Im Haushalt sind nicht nur Repräsentationsmittel verborgen, es finden sich auch wahre Haushaltsrisiken.
Am 18. August meldeten der Norddeutsche Rundfunk und die Süddeutsche Zeitung, dass sich die HSH Nordbank mit der Staatsanwaltschaft Köln auf eine Strafzahlung in Höhe von 22 Millionen Euro geeinigt habe. Hintergrund waren Ermittlungen gegen die Bank, die über ihre Luxemburger Filiale wohlhabenden Kunden bei der Hinterziehung von Steuern geholfen haben soll.
Dass gerade diejenige Bank, die zu einem beträchtlichen Teil von Steuergeldern profitiert hat, ihren Kunden Steuern zu hinterziehen hilft – und damit den Anteilseignern Hamburg und Schleswig-Holstein wahrscheinlich beträchtlichen finanziellen Schaden zugefügt hat – ist an sich schon ein äußerst bemerkenswerter Vorgang. Einerseits laut nach Hilfe rufen, wenn es darum geht, die Bank weiter mit öffentlichen Geldern zu stützen, andererseits aber dem Helfer auf diese Art und Weise ins Kreuz zu treten – das können und wollen wir nicht ohne Weiteres akzeptieren.
Ich sage es ganz deutlich: Dieser Vorgang ist definitiv keine Petitesse und hat möglicherweise Konsequenzen, die sehr viel schwerer wiegen könnten, als es viele zunächst erahnt haben: Denn mit der Zahlung an die Kölner Staatsanwaltschaft und dem Eingeständnis der Bank, dass es Fälle von Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegeben habe, fällt dieser Vorfall unter die Bestimmungen von SPD, Grünen und SSW eingeführten Korruptionsregistergesetzes.
Das bedeutet: Die HSH Nordbank ist das erste Unternehmen in Schleswig-Holstein, das ins Korruptionsregister eingetragen werden muss – so sieht es § 2 Absatz 3 Ziffer 3 des Gesetzes vor. Und so wollten es auch die Koalitionsfraktionen.
Die FDP-Fraktion war immer gegen das Gesetz. Aber es hat nun einmal Gesetzeskraft, und deshalb dürfen wir hier nicht einfach darüber hinweggehen, wenn es uns einmal nicht passt. Wir sind sehr gespannt, wie ernst diese Landesregierung dieses Gesetz jetzt nimmt. Es darf für kein Unternehmen eine Ausnahme deshalb geben, weil Schleswig-Holstein Anteilseigner ist. Wenn das Korruptionsregistergesetz gilt, dann für alle Unternehmen.
Ein weiteres Haushaltsrisiko – technisch, nicht menschlich – stellt die Flüchtlingskrise dar.
Schleswig-Holstein steht angesichts der neuesten prognostizierten Flüchtlingszahlen von 1 Million Menschen vor einer enormen, wenn nicht sogar historischen, Aufgabe.
Warum Ministerpräsident Albig die vertriebenen Flüchtlinge, die ihr Heimatland verlassen haben und sich auf der Flucht befinden, ausgerechnet als ‚Vitaminspritze‘ bezeichnet hat, bleibt mir schleierhaft.
Dazu gehört eben mehr, als nur ‚Willkommensgipfel‘ abzuhalten oder Menschen vor Ort in die rechte Ecke zu stellen, nur weil diese sich offen und konstruktiv gegen die Pläne der Landesregierung in Sachen Erstaufnahmeeinrichtungen stellen.
Der viel bemühte Dialog, den sich die Landesregierung seit Beginn ihrer Amtszeit auf die Fahnen geschrieben hat, findet nicht statt – erst recht nicht mit denen, die anderer Meinung sind.
Vor dem Ergebnis des monatelangen Schönredens stehen wir jetzt. Die Menschen, die vor Ort in den Erstaufnahmeeinrichtungen tätig sind, gelangen an ihre Leistungsgrenze. Die Kommunen wissen nicht mehr, wohin mit den Menschen. Viele Beamtinnen und Beamten der Landespolizei sind in den Erstaufnahmeeinrichtungen tätig.
Und was unternimmt die Landesregierung angesichts der zugespitzen Lage: der hilfesuchende Blick gen Berlin. Mehr Geld ist vonnöten, so schnell wie möglich.
Denn die Haushaltsmittel, die jetzt im Entwurf 2016 angesetzt sind, soweit lässt sich die Lage schon abschätzen, werden bei Weitem nicht ausreichen.
Lassen Sie mich die Angaben in Ihrem Haushaltsentwurf, genauer gesagt im Einzelplan 4, wiederholen:
Dort beläuft sich die Zahl der Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf 18.400 für das Jahr 2015 – 27.500 für das Jahr 2016. Diese Zahlen sind angesichts der neuesten Schätzungen von 1 Million Flüchtlingen auf Bundesebene – also 34.000 Flüchtlinge für Schleswig-Holstein – längst Makulatur.
Wir erwarten von der Landesregierung, diesem Umstand Rechnung zu tragen – wir erwarten einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2015.“