Energie/Windkraft

Wolfgang Kubicki: Eine ordentliche parlamentarische Befassung ist unerlässlich

„Dass der parlamentarische Gesetzgeber die Planungen einer ganzen Branche für mindestens zwei Jahre durch die Einführung einer dem Raumordnungsrecht bislang völlig unbekannten Regelung untersagt, ist ein in der Bundesrepublik Deutschland bisher wohl einmaliger Vorgang.

 

Es ist in der Sache zwar richtig, dass wir einen geregelten Ausbau der Windenergie im Land brauchen. Es ist aber zu bezweifeln, ob das von Ihnen hier gewählte Verfahren der Besonderheit des Vorhabens auch gerecht wird.

 

Fraglich ist bereits, ob die von Ihnen, Herr Ministerpräsident, behauptete Dringlichkeit, mit der Sie den Verzicht auf ein angemessenes parlamentarisches Verfahren begründen, tatsächlich auch gegeben ist. Sie haben einfach erklärt, es drohe nach dem Urteil des OVG Schleswig ein ‚Wildwuchs‘ im Land. Näher begründet haben Sie die Auffassung bisher nicht.

 

Dass bei der Genehmigung fortan keine Vorgaben der Regionalplanung mehr zu berücksichtigen sind, hat das Gericht in dieser Form jedoch nicht gesagt. Vielmehr hat es in seinen Urteilsgründen ausgeführt:

 

Bei Feststellung der Unwirksamkeit der angefochtenen           Teilfortschreibung des Regionalplans ersetzt dieser zwar nicht mehr (...) [die Regelungen] des Regionalplans I, Fortschreibung 1998 (...) Diese Regelung, die ebenfalls eine Konzentrationswirkung bezweckt (...), gilt dann fort.‘

 

Aus dem Urteil selbst lässt sich also mitnichten ableiten, dass bei der Genehmigung von Windkraftanlagen in Zukunft keine Vorgaben der Regionalplanung mehr zu berücksichtigen sind.

 

Wenn der Ministerpräsident gleichwohl die Rechtsauffassung vertritt, dass nach der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde eine ungesteuerte Genehmigung von Windkraftanlagen nach baurechtlichen Maßstäben droht, muss er diese auch ausführlich erläutern.

 

Schließlich hängt die Verhältnismäßigkeit des gesamten Gesetzes nicht zuletzt auch an der Frage der Fortwirkung der früheren Regionalpläne.

 

Wenn ein Gesetzentwurf der Landesregierung, mit dem juristisches Neuland betreten wird, durch die Regierungsfraktionen entgegen den üblichen parlamentarischen Gepflogenheiten eilig durch das Parlament gewinkt werden soll, dann muss die Landesregierung auch erklären, weshalb das Parlament auf eine sorgfältige Prüfung und Abwägung verzichten soll.

 

Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn die eigentliche Intention des Vorhabens gar nicht im präventiven Verbot, sondern in der Rettung der Windkraftanlagen liegen sollte, die nach dem Wegfall der für rechtwidrig erklärten Teilfortschreibung derzeit nicht mehr genehmigungsfähig sind. Denn auch der Ausnahmetatbestand bedarf hinsichtlich seines Anwendungsbereichs einer eingehenden Prüfung – insbesondere vor dem Hintergrund, ob Ausnahmen zur Umgehung des Urteils des OVG führen könnten.

 

Angesichts der zahlreichen offenen Rechtsfragen brauchen wir eine parlamentarische Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf, die der Sache gerecht wird. Diese Forderung ist kein Ausdruck politisch motivierter Verhinderungspolitik, sondern resultiert aus dem Bedürfnis effektiver parlamentarischer Kontrolle.

 

Dass der Oppositionsführer auch ohne inhaltliche Mitarbeit vollstes Vertrauen in die Landesregierung und deren Gesetzgebungstätigkeit hat, ist in Anbetracht des verfassungsrechtlichen Auftrags der Opposition als Kontrollorgan der Landesregierung schon für sich genommen bemerkenswert.

 

Daran ändert im Übrigen auch nichts, wenn er dann, nur um zu protokollieren, dass er sich offensichtlich doch noch mit dem Entwurf beschäftigt hat, seinen zuvor ausgestellten Blankoscheck unter den Vorbehalt stellt, eine landesgesetzliche Ermächtigung für Veränderungssperren dürfe es nicht geben. Dieser Versuch, gesichtswahrend aus der Nummer wieder herauszukommen, hat es eigentlich nur noch schlimmer gemacht. Zumal die Union ausgerechnet den Teil des Gesetzentwurfs streichen wollte, der jedenfalls aus rechtlicher Sicht durchaus noch nachvollziehbar war.

 

Wenn die Union ihren Änderungsantrag jetzt wieder zurückzieht, um doch ins Boot der Regierungskoalition zu steigen, gleichzeitig aber erklärt, es müsse noch handwerklich nachgebessert werden, zeugt das nur noch von einer unglaublichen Überforderungssituation.

 

Mit anderen Worten: Ein ordentliches parlamentarisches Verfahren ist unerlässlich. Dazu gehört eine Ausschussbefassung mit einem Anhörungsverfahren. Werden hier alle rechtlichen Bedenken ausgeräumt, können auch wir einer Änderung des Landesplanungsgesetzes zustimmen. Ohne ernsthafte sachliche Parlamentsbefassung können wir das nicht!“