Justiz/"Solidaritätsadresse"

Wolfgang Kubicki: Vertrauen in die Unabhängigkeit in die Justiz darf nicht verloren gehen

„Heute lesen wir bei der Deutschen Presse-Agentur als Stellungnahme der Neuen Richtervereinigung folgendes:

 

‚Die Ende Januar angestrebte, aber am Widerstand anderer Richter gescheiterte gemeinsame Aktion sei «mit dem Amt einer Gerichtspräsidentin beziehungsweise Gerichtspräsidenten unvereinbar», kritisierte der Landesverband der Neuen Richtervereinigung am Donnerstag in Reinbek (Kreis Stormarn). Denn die Erklärung sollte das Ziel haben, «die Justizministerin im politischen Meinungskampf gezielt und unter Einsatz des «Präsidentenbonus» zu stützen und im Amt halten zu wollen».’

 

Auch der Schleswig-Holsteinische Richterverband hat gestern sich in dieser Frage sehr ähnlich und deutlich geäußert. Beide Verbände sind mit Sicherheit nicht der verlängerte Arm der parlamentarischen Opposition.

 

Beide betroffenen Richter, Herr Dr. Flor und Frau Fölster, haben in dem Versuch, eine Solidaritätsadresse an die Justizministerin und ihren Staatssekretär abzugeben, die Grenze zwischen freier Meinungsäußerung und Ausnutzung ihres Amtsbonus überschritten. Ich wiederhole es an dieser Stelle: Ich kenne solche Elogen der Justiz an die Regierung bisher nur aus Diktaturen.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem einschlägigen Urteil zu dieser Problematik im Oktober 1987 unmissverständlich festgestellt:

 

‚Die Pflicht zu der durch das Richteramt gebotenen Mäßigung und Zurückhaltung gebietet ihm jedoch in besonderer Weise, eine klare Trennung zwischen Richteramt und seiner Teilnahme am politischen Meinungskampf einzuhalten. Er darf bei seinen privaten Äußerungen nicht den Anschein einer amtlichen Stellungnahme erwecken. Er verletzt seine sich aus dem ihm anvertrauten Richteramt ergebenden Pflicht auch, wenn er das Amt und das mit diesem auf Grund seiner verfassungsrechtlichen Ausgestaltung verbundene Ansehen und Vertrauen durch Hervorhebung dazu benutzt und einsetzt, um seiner Meinung in der politischen Auseinandersetzung mehr Nachdruck zu verleihen und durch den Einsatz des Richteramtes eigene politische Auffassungen wirksamer durchzusetzen. Dafür ist ihm das Amt nicht anvertraut.’ (BVerwG 2 C 72.86)

 

Wir wissen jetzt – und das haben die Richterverbände klar bestätigt –, dass sowohl Frau Fölster als auch Herr Dr. Flor genau dieses Prinzip verletzt haben, als sie die anderen Gerichtspräsidenten in dieser Frage angeschrieben haben.

 

Man stelle sich vor, die beabsichtigte Erklärung hätte wie folgt gelautet:

 

‚Die Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren mit Frau Ministerin Spoorendonk und Herrn Staatssekretär Dr. Schmidt-Elsaeßer war nicht von Offenheit, Kompetenz und vertrauensvoller Zusammenarbeit geprägt. Nach diesen negativen Erfahrungen sind wir sicher, dass eine solche Zusammenarbeit auch zukünftig mit Blick auf die Erledigung wichtiger anstehender Aufgaben nicht gewährleistet ist.’

 

Ich bin mir sicher, die Antwort des Ministeriums wäre eine andere gewesen. Und ich muss es deutlich herausstellen: Dass Staatssekretär Dr. Schmidt-Elsaeßer – den ich eigentlich sehr schätze – nicht sofort in dieser Frage eingeschritten ist, enttäuscht doch sehr.

 

Eines will ich klarstellen: Die Insinuierung, es habe politisch motivierte Urteile des Landesverfassungsgerichtes gegeben, lehne ich ausdrücklich ab. Die Entscheidungen waren nicht willkürlich. Aber es steht die Frage jetzt im Raum, ob Präsident Flor bei künftigen Verfahren bei den Verfahrensbeteiligten den Eindruck vermitteln kann, er urteile unparteiisch.

 

Dieser Vorgang ist definitiv keine Petitesse. Er muss aufgeklärt werden. Das Vertrauen in die Lauterkeit und Unabhängigkeit der Justiz darf nicht verloren gehen.“