Innen/Glücksspiel

Wolfgang Kubicki: Wir brauchen eine völlige Neuordnung der Glücksspielpolitik

„Das Glücksspielrecht in Deutschland befindet sich in einer Sackgasse. Bereits im letzten Jahr hat der Verwaltungsgerichtshof Kassel unmissverständlich klargestellt, dass das im aktuellen Glücksspielstaatsvertrag geregelte Vergabeverfahren durch das Glücksspielkollegium ‚mit dem Bundesstaatsprinzip und dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes nicht vereinbar‘ ist.

 

Vor zwei Wochen hat nunmehr das Verwaltungsgericht Wiesbaden geurteilt, dass auch die zahlenmäßige Begrenzung der Sportwettenkonzessionen unionsrechtswidrig ist, da es sich um einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundfreiheiten handelt und das Verfahren ein Mindestmaß an Transparenz vermissen lasse.

 

Damit wird offensichtlich, was eigentlich von vornherein bekannt war: Das Regelwerk ist nicht nur untauglich zur Suchtprävention, weil es in sich widersprüchlich ist, sondern verstößt auch gegen Europa- und Verfassungsrecht. 

 

Selbst diejenigen, die von der Idee der eigenen moralischen Überlegenheit dermaßen durchdrungen sind, dass sie auch Gerichtsurteile nur für freundlich gemeinte Handlungsempfehlungen halten, sollten jetzt einsehen, dass der Glücksspielstaatsvertrag gescheitert ist.

 

Sicher ist: Ausweichen, Schweigen und Verzögern kann es angesichts der chaotischen Zustände im deutschen Glücksspielwesen nicht mehr geben.

 

Ganz im Gegenteil ist jetzt die Aufgabe der Politik, vernünftige Lösungsvorschläge zu entwickeln, um das Glücksspielrecht wieder in das Maß des Grundgesetzes zu führen.

 

Dafür brauchen wir eine völlige Neuordnung der Glücksspielpolitik. Wesentlicher Inhalt dieser dringend notwendigen Neujustierung muss die Auflockerung der staatlichen Monopolstellung und die Schaffung von Kohärenz sein:

 

Es ist nämlich inkonsequent, wenn die bestehenden (staatlichen) Glücksspielanbieter aggressiv werben dürfen und gleichzeitig Privaten der Marktzutritt versperrt wird. Sie können es auch niemandem erklären, dass in privaten Spielhallen maximal zwölf Spielautoamten aufgestellt werden dürfen, während es bei staatlichen Spielbanken keine gesetzlichen Vorgaben gibt und sich in deren Automatensälen dann im Durchschnitt 100 Automaten befinden. Sie können sich im Übrigen nur in Spielbanken um ‚Haus und Hof‘ bringen, weil es im Gegensatz zu Spielhallen weder Vorgaben für die Höhe der Spieleinsätze, noch für die Höhe möglicher Verluste gibt. Mit der Bekämpfung der Spielsucht lässt sich dies jedenfalls nicht rechtfertigen. Es ist doch ein logischer Widerspruch, wenn sie im gleichen Rechtsraum etwas sowohl verbieten als auch erlauben wollen.

 

Wer Spielsucht verhindern will, darf nicht selbst Spiele anbieten und daran verdienen.

 

Wer Spielsucht lenken will, muss den Markt regulieren - und zwar denknotwendig für alle Anbieter.

 

In allen anderen Bereichen wird dies auch genau so gemacht – schließlich gibt es auch keine staatlichen Landeszigarettenfabriken.

 

Der aktuelle Glücksspielvertrag ist deshalb auch allein Ausdruck des obsessiven, rein fiskalisch motivierten Kampfes der Länder gegen private Spielanbieter. Diese werden unter dem Vorwand, Spielsucht zu bekämpfen oder wenigstens zu kanalisieren, diskriminiert oder jedenfalls behindert, um der öffentlichen Hand Einnahmequellen zu bewahren.

 

Was wiederum paradox ist, weil der Boykott von privaten Anbietern dazu führt, dass diese unreguliert in riesigen Graumärkten agieren und dem Staat Milliarden Euro an Steuereinnahmen verloren gehen.

 

Wir brauchen daher einen Glücksspielmarkt, in dem – wie vom EuGH mehrfach angemahnt – die Grundfreiheiten und der Grundsatz der Gleichbehandlung durch ein kohärentes Vorgehen beachtet werden. Nur so schaffen wir Rechtssicherheit.

 

Dazu gehören insbesondere auch, die Abschaffung des verfassungswidrigen Glücksspielkollegiums und die Neuordnung des Vergabeverfahrens von Sportwetten.

 

Es ist doch absurd, ausgerechnet diejenigen über die Konzessionsvergabe entscheiden zu lassen, die am faktischen Staatsmonopol das größte Interesse haben. Insofern überrascht es auch nicht, dass die in seit August 2012 (!) laufende Vergabe von 20 Konzessionen für Sportwetten, bisher zu keiner Vergabe einer Konzession, aber zu über 100 Gerichtsverfahren geführt hat. Das undemokratische Glücksspielkollegium gehört deshalb entmachtet. Ob es, wie vom hessischen Innenminister vorgeschlagen, durch eine neue zentrale Regulierungsbehörde ersetzt werden soll, sollte gründlich geprüft werden. Entscheidend ist, dass die Begrenzung der Sportwettenkonzessionen auf 20 Anbieter ganz abgeschafft und durch rein qualitative Anforderungen ersetzt wird.

 

Zuletzt muss auch das weitgehende Verbot des Internet-Glücksspiels fallen, weil es schlicht nicht durchsetzbar und kontraproduktiv ist. Spieler wandern so nur in einen illegalen Online-Markt ab, der sowohl einer rechtlichen Kontrolle als auch einer suchtpräventiven Steuerung gänzlich entzogen ist

 

Allen Grabenkämpfen der Vergangenheit zum Trotz sollten wir uns auf den Weg machen, um wieder zu einem grundrechtskonformen Glücksspielrecht zu gelangen.

 

Wer sich den Urteilen der vergangenen Monate nicht völlig verschließen will, sollte deshalb unserem Antrag zustimmen.“